Werbung

Werbung

Werbung

„Wer bin ich?“

Ein Buch, das die Lust am Denken weckt!

© Die Berliner Literaturkritik, 31.08.10

MÜNCHEN (BLK) – Der Goldmann Verlag veröffentlichte die philosopische Reise „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ von Richard David Precht im September 2007. Und im Jahr 2009 erhält es endlich seine Würdigung, indem es in den Bestsellerlisten vom Dezember 2009 erscheint.

Klappentext: Ein einzigartiger Pfad durch die schier unüberschaubare Fülle unseres Wissens über den Menschen. Von der Hirnforschung über die Psychologie zur Philosophie bringt Richard David Precht uns dabei auf den allerneuesten Stand. Wie ein Puzzle setzt sich das erstaunliche Bild zusammen, das die Wissenschaften heute vom Menschen zeichnen. Eine aufregende Entdeckungsreise zu uns selbst.

Richard David Precht, geboren 1964, lebt als Schriftsteller und Publizist in Köln. Er promovierte 1994 an der Universität Köln. Für seine journalistische Arbeit erhielt er mehrere Auszeichnungen. Bisher veröffentlichte er ein essayistisches Sachbuch „Noahs Erbe“ (1997) und gemeinsam mit seinem Bruder Georg den Roman „Das Schiff im Noor“ (1999). (olb)

Leseprobe:

©Goldmann©

Die griechische Insel Naxos ist die größte Insel der Kykladen im Ägäischen Meer. In der Mitte der Insel steigt die Berg kette des Zasbis auf tausend Meter an, und auf den würzig duftenden Feldern grasen Ziegen und Schafe, wachsen Wein und Gemüse. Noch in den 1980er Jahren besaß Naxos einen legendären Strand bei Agia Ana, kilometerlange Sanddünen, in denen nur wenige Touristen sich Bambushütten geflochten hat ten und ihre Zeit da mit verbrachten, träge im Schatten herum zu dösen. Im Sommer 1985 lagen unter einem Felsvorsprung zwei junge, gerade 20-jährige Männer. Der eine hieß Jürgen und kam aus Düsseldorf; der andere war ich. Wir hat ten uns erst vor wenigen Ta gen am Strand kennen gelernt und diskutierten über ein Buch, das ich aus der Bibliothek meines Vaters mit in den Urlaub genommen hatte: ein in zwischen arg ramponiertes Taschen buch, von der Sonne aus gebleicht, mit einem griechischen Tempel auf dem Umschlag und zwei Männern in griechischem Gewand. Platon: Sokrates im Gespräch.Die Atmosphäre, in der wir unsere bescheidenen Gedanken leidenschaftlich aus tauschten, brannte sich mir so tief ein wie die Sonne auf der Haut. Abends, bei Käse, Wein und Melonen, sonderten wir uns ein wenig von den anderen ab und diskutierten weiter unsere Vorstellungen. Vor allem die Verteidigungsrede, die Sokrates laut Platon gehalten haben soll, als man ihn wegen des Verderbens der Jugend zum Tode verurteilte, beschäftigte uns sehr. Mir nahm sie – für einige Zeit – die Angst vor dem Tod, ein Thema, das mich zutiefst beunruhigte; Jürgen war weniger überzeugt. Jürgens Gesicht ist mir entfallen. Ich habe ihn nie wie der getroffen, auf der Straße würde ich ihn heute sicher nicht erkennen. Und der Strand von Agia Ana, an den ich nicht zurückgekehrt bin, ist laut zu verlässiger Quelle heute ein Touristen-Paradies mit Hotels, Zäunen, Sonnenschirmen und gebührenpflichtigen Liegestühlen. Ganze Passagen aus der Apologie des Sokrates in meinem Kopf dagegen sind mir geblieben und begleiten mich gewiss bis ins Altenpflegeheim; mal sehen, ob sie dann immer noch die Kraft haben, mich zu beruhigen. Das leidenschaftliche Interesse für Philosophie habe ich nicht mehr verloren. Es lebt fort seit den Tagen von Agia Ana. Aus Naxos zurückgekehrt, leistete ich zu nächst einen unerquicklichen Zivil dienst ab. Es war gerade eine sehr moralische Zeit, Nato- Doppelbeschluss und Friedensbewegung erhitzten die Gemüter, dazu Abenteuerlichkeiten wie US-amerikanische Plan spiele über einen begrenz ten Atom krieg in Europa, die man sich ohne Kopfschütteln heute kaum noch vorstellen mag. Mein Zivil dienst als Gemeindehelfer freilich regte nicht zu kühnen Gedanken an; seit ich die evangelische Kirche von innen gesehen habe, mag ich den Katholizismus. Was blieb, war die Suche nach dem richtigen Leben und nach überzeugenden Antworten auf die großen Fragen des Lebens. Ich beschloss, Philosophie zu studieren. Das Studium in Köln begann allerdings mit einer Enttäuschung. Bislang hatte ich mir Philosophen als spannende Persönlichkeiten vorgestellt, die so aufregend und konsequent lebten, wie sie dachten. Faszinierende Menschen wie Theodor W. Adorno, Ernst Bloch oder Jean-Paul Sartre. Doch die Vision von einer Einheit aus kühnen Gedanken und einem kühnen Leben verflüchtigte sich beim Anblick meiner zukünftigen Lehrer sofort: langweilige ältere Herren in braunen oder blauen Busfahreranzügen. Ich dachte an den Dichter Robert Musil, der sich darüber gewundert hatte, dass die modernen und fortschrittlichen Ingenieure der Kaiserzeit, die neue Welten zu Lande, zu Wasser und in der Luft eroberten, gleichzeitig so altmodische Zwirbelbärte, Wes ten und Taschenuhren trugen. Ebenso, schien es mir, wendeten die Kölner Philosophen ihre innere geistige Freiheit nicht auf ihr Leben an. Immer hin brachte mir einer von ihnen schließ ich doch das Denken bei. Er lehrte mich, nach dem „Warum“ zu fragen und sich nicht mit schnellen Antworten zu begnügen. Und er paukte mir ein, dass meine Gedankengänge und Argumentationenlücken los sein sollten, so dass jeder einzelne Schritt möglichst streng auf dem anderen aufbaut. Ich verbrachte wunderbare Studienjahre. In meiner Erinnerung vermischen sie sich zu einer einzigen Abfolge aus spannender Lektüre, spontanem Kochen, Tischgesprächen beim Nudelessen, schlechtem Rotwein, wilden Diskussionen im Seminar und endlosen Kaffeerunden in der Mensa mit Bewährungsproben unserer philosophischen Lektüre: über Erkenntnis und Irrtum, das richtige Leben, über Fußball und natürlich darüber, warum Mann und Frau – wie Loriot meinte – nicht zusammen passen. Das Schöne an der Philosophie ist, dass sie kein Fach ist, das man je zu Ende studiert. Genau genommen, ist sie noch nicht einmal ein Fach. Naheliegend wäre es deshalb gewesen, an der Universität zu bleiben. Aber das Leben, das meine Professoren führten, erschien mir, wie gesagt, erschreckend reizlos. Zudem bedrückte mich, wie wirkungslos die Hochschulphilosophie war. Die Aufsätze und Bücher wurden lediglich von Kollegen gelesen, und das zumeist nur, um sich davon abzugrenzen. Auch die Symposien und Kongresse, die ich als Doktorand besuchte, desillusionierten mich restlos über den Verständigungswillen ihrer Teilnehmer.

©Goldmann©

Literaturangabe:

PRECHT, RICHARD DAVID: Wer bin ich - und wenn ja, wie viele? Goldmann Verlag; München 2007. 400 S., 14,95 €.

Weblink:

Goldmann Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: