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Werke der Sammlung Horn in Berlin

Brücke-Museum zeigt 140 ausgewählte Arbeiten

Von: KLAUS HAMMER - © Die Berliner Literaturkritik, 14.07.09

Privatsammlungen entstehen nicht nach kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten, sondern spiegeln die Persönlichkeit des Sammlers wider, lassen eine Wahlverwandtschaft mit den von ihm geschätzten Künstlern und Kunstrichtungen erkennen, und diese Wahlverwandtschaft wird in ihren Facetten und Nuancen durch die jeweils ausgewählten Kunstwerke in besonderer Weise verdeutlicht. Seit den 1930er Jahren hatte der Unternehmer Rolf Horn in Berlin seine Sammlung aufgebaut, überwiegend expressionistische Kunst, dazu afrikanische und ozeanische Plastik, wie sie damals die „Brücke“-Künstler im Dresdener oder Berliner Völkerkundemuseum inspirierten.

Der in Kiel geborene Sammler vertraute 1989 seine Sammlung dem Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum auf Schloss Gottorf an, dort bildet sie seit 1995 den repräsentativen Grundstock für die Galerie der Klassischen Moderne. Erstmals ist nun der Kernbestand der Stiftung Horn mit 140 außergewöhnlichen Werken außerhalb Schleswig-Holsteins im Berliner Brücke-Museum (bis 13. September 2009) zu bewundern.

Der von der Direktorin des Brücke-Museums, Magdalena M. Moeller, herausgegebene Katalog „Sammlung Rolf Horn. Werke aus der Stiftung Rolf Horn“ stellt nach einem Bericht über die Sammlung Horn im Landesmuseum Schloss Gottorf von Ursula Bode in monographischen Darstellungen die Künstler der „Brücke“ Ernst Ludwig Kirchner (Autorin Janina Dahlmanns), Karl Schmidt-Rottluff (Cathy Stoike),Erich Heckel (Magdalena Schlösser), Max Pechstein (Annette Blattmacher), Emil Nolde (Janina Dahlmanns), Otto Mueller (Christiane Remm) und die Einzelgänger des Expressionismus Christian Rohlfs (Uta Kuhl), Alexej von Jawlensky (Tayfun Belgin), Ernst Barlach (Uta Kuhl) und Käthe Kollwitz (Alexandra von dem Knesebeck) vor.

Ein besonderer Beitrag beschäftigt sich mit der Entdeckung außereuropäischer Kunst durch Picasso und Kirchner (Peter Stepan). Ist allein schon die Qualität der in der Sammlung vertretenen Gemälde, Zeichnungen und Plastiken überwältigend, so muss besonders die faszinierende Kollektion von „Brücke“-Holzschnitten hervorgehoben werden, die man mit ausgewählten Beispielen außereuropäischer primitivistischer Plastik vergleichen kann.

Auf den Zusammenhang von Mensch und Natur, den Zusammenklang von mystisch dunkler Farbigkeit, expressiver Körpersprache und konzentrierter Reduktion im Bildaufbau weist schon Rohlfs Gemälde „Paar in der Nacht“ (1912) hin. Die alttestamentarische „Hagar in der Wüste“, von Abraham verstoßen und dem Tod preisgegeben, wird in Rohlfs Darstellung von 1921 in starken Gelb- und Brauntönen vorgestellt. Sie deuten nicht nur den heißen Wüstensand und die vor Hitze flirrende Luft an, sondern spiegeln auch den aufgewühlten Zustand Hagars wider. In Emil Noldes prachtvollem Gemälde „Blumengarten P“ (1923) wachsen die roten Blüten aus dem grünen Blattwerk hervor und stehen in Kontrast zu den aufragenden blauen Kerzen im Hintergrund. Ein Lebensgleichnis hatte der Maler mit seinen Garten- und Blumenbildern geben wollen.

Trotz der Landschaften und Figurendarstellungen dominieren in der Sammlung die Köpfe. So Noldes Aquarelle der „Südsee-Insulaner“ (1914), die neben ihrer suggestiven Wirkung auch die Vielfalt der Physiognomien und Erscheinungsformen der Gruppen und Stämme des heutigen Papua-Neuguinea zeigen. Die Annäherung der „Brücke“-Künstler an die primitive Kunst galt dem Interesse an der expressiven Kraft sowie skulpturalen Form. Unter dem Eindruck primitiver Kunst konnten sie die Körperproportionen und die Gesichtszüge beinahe nach Belieben variieren. Pechsteins Holzschnitte der Folge „Exotische Köpfe“ sind, auch wenn es sich eigentlich um indianische und mesoamerikanische Würdenträger handelt, eine eindrucksvolle Synthese von afrikanischen und ozeanischen Elementen. Der Formensprache des Primitivismus bediente sich Pechstein auch in dem Blatt „Weib vom Manne begehrt“ oder im Farbholzschnitt „Zwiesprache“ von 1920.

Das gilt auch für die eckig-kantige Gestaltungsweise der Holzschnitte Schmidt-Rottluffs. „Mädchen vor dem Spiegel“ (1914), „Mutter“ (1916) und „Die heiligen drei Könige“ (1917) — und nicht nur sie — sind in ihrer rigorosen Schnittführung mit kantigen Linien, harten Kontrasten und scharf gesetzten kammartigen Schraffuren Auseinandersetzung mit außereuropäischen Stilformen. Zur Ausdrucksgewalt seiner in Holz geschnittenen Bildnisse tragen gerade die Partien bei, die bewusst „fehlerhaft“ geschnitten sind. In wenigen, radikal gesetzten und massiven Hieben werden die maskenhaften Gesichtszüge anschaulich gemacht. Heckels „Bildnis E.H.“ (1917) zeigt den Künstler mit ernstem Blick und zerfurchtem Gesicht, das auf im Krieg erlittenes Leid verweist, und das in das Plakat für die Krefelder Ausstellung 1920 integrierte Selbstporträt verstärkt diese Denkerpose durch kantige Formen und grobe Konturen — zwei Höhepunkte in Heckels grafischem Schaffen.

Kirchners im Holzschnitt zum rhythmischen Ornament gewordener Kopf Guttmann (1912) steht der Kopf Sohn Hardt (1915) als Zeugnis von des Künstlers geistigem Verfall und Persönlichkeitskrise gegenüber — es sind Bildnisse von nahezu unerträglicher Ausdruckskraft. Durch farbig und strukturell voneinander abgesetzte Zonen und unterschiedliche Perspektiven wird in dem Gemälde „Sertigweg“ (1924/26) aus Kirchners Schweizer Zeit eine panoramaartige Sicht über sämtliche Elemente der Landschaft geschaffen. Der von Lise Hujer nach einem Gemälde von Kirchner ausgeführte Bildteppich „Schwarzer Frühling“, der ein Selbstporträt Kirchners mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling enthält, verweist auf Kirchners „Teppichstil“, wie die Ähnlichkeit der Bildfläche mit einem textilen Gewebe, einem großfigurigen Teppich- und Stoffmuster bezeichnet wird. Mit einer kompakten Schwere, dann aber auch wieder einer konstruktiven Leichtigkeit, die den leuchtenden Farben und ihrem flächigen Eingebundensein entspricht, existieren die Formen gleichzeitig auf der Fläche und in der Tiefe.

In den Frauenköpfen von 1913, 1918 und 1929 gibt der aus dem Kreis des „Blauen Reiter“ kommende Alexej von Jawlensky eine Analyse des Menschenantlitzes, indem er es in die reinen, abstrakten Verhältnisse der Maske zerlegt. Der Mensch hört auf, Mensch im organischen Sinne zu sein und wird auf einen rein geistigen Bezug konzentriert. Das erschütternde Relief „Die Klage“ (1938-40), das Käthe Kollwitz unter dem Eindruck des Todes von Ernst Barlach modellierte, ist ihr Selbstporträt als Trauernde. Ihre einzigartigen Selbstbildnisse sind Rechenschaft, Zeugnis, Überprüfung, Merksteine eines Lebens und einer Zeit. Sie verlieren das Private und verdichten sich zu einer Maske, die die Wesenszüge festhält — als ruhende Schwere des Lebens.

Literaturangabe:

MOELLER, MAGDALENA M. (Hrsg.): Sammlung Rolf Horn. Werke aus der Stiftung Rolf Horn. Mit Beitr. von T. Belgib, A. Blattmacher u. a. Brücke-Museum, Berlin/Hirmer Verlag, München 2009. 316 S., mit 98 Farbt. u. 108 Abb. in Farbe u. 91 in S/W, 26 €.

Weblink:

Hirmer Verlag

Klaus Hammer, Literatur- und Kunstwissenschaftler, schreibt als freier Buchkritiker für dieses Literaturmagazin. Er ist als Gastprofessor in Polen tätig


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