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Neues von Elfriede Jelinek

Elfriede Jelinek verarbeitet die Bankenkrise und Persönliches in ihrem neuen Stück

© Die Berliner Literaturkritik, 03.02.11

Von Britta Schultejans

MÜNCHEN (BLK) - „Winterreise“ heißt das neue Theaterstück von Elfriede Jelinek - es ist vielleicht das bislang persönlichste Werk der Literaturnobelpreisträgerin, und ein sehr düsteres dazu. Am 3. Februar wird es in den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Auf die Bühne bringt es der neue Intendant Johan Simons, den Jelinek damit vor eine große Herausforderung stellt.

Denn „Winterreise“ ist ein schier undurchdringlicher Wort-Wust ohne handelnde Personen - und ohne Handlung. Wer genau Protagonist des wortgewaltigen, achtteiligen, fast 80 Buchseiten langen Monologs ist, bleibt unklar. Meist ist es wohl eine Frau, die spricht. Ihre Themen sind Rastlosigkeit, das Streben nach Zukünftigem und die fehlende Konzentration auf das, was ist. „Der Wahn ist die Frage, die keiner stellt“, lautet ein Satz. Jelinek selbst, die sich ohnehin in der Öffentlichkeit gerne rarmacht, will über ihr neues Stück nicht sprechen.

Ihre „Winterreise“ - der Titel ist angelehnt an den gleichnamigen Liederzyklus von Franz Schubert - nimmt auch gesellschaftspolitische Themen der Gegenwart in den Blick, namentlich die Bankenkrise. Die stand auch schon in ihrem Stück „Die Kontrakte des Kaufmanns“ im Mittelpunkt. „Das Geld, das wispert nur in den Wipfeln der Bäume, man hört es kaum, doch es ist da. Es ist nichts mehr da. Es ist weg“, schreibt Jelinek.

In der „Winterreise“, einem Auftragswerk der Kammerspiele, nimmt Jelinek auch explizit Bezug auf die Affäre um die Hypo Group Alpe Adria (HGAA), die der bayerischen Landesbank (BayernLB) ein Milliardenloch bescherte. Die Bank taucht auf als „Hyper-Braut, die hochnervöse Braut, die ihre Geheimnisse hat und dafür die Alpen sehen durfte und das Meer und Schiffe und Autos und Flugzeuge“ und die erst nach der Hochzeit ihren Schleier lüftet und zeigt, was sich hinter ihrer Fassade verbirgt. Für den Ehemann ist es dann längst zu spät. „Unter ihren jetzt schlappen Röcken, in ihrem jetzt schmutzigen Schleier nisten die Pleitegeier und krächzen schon.“

Daneben gibt Jelinek aber auch Einblick in sehr Persönliches und in Themen, die sie durch ihr gesamtes künstlerisches Schaffen begleitet haben. Immer wieder kehrt die Autorin zu Stationen ihres Lebens zurück. Die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter wird auf der Bühne ausgebreitet - ebenso die Einweisung ihres Vaters in die Psychiatrie. „Als würde die Natur selbst den Vater fortschicken, wenn er vergisst, wer er ist und wen er gezeugt hat“, schreibt Jelinek. „Fort mit dem Vater!, und schon haben wir den Vater zurückgelassen. Na, den haben wir endlich hinter uns!“

Ihr eigenes Schaffen ist ebenfalls Teil ihrer „Winterreise“, die auch Selbstreflektion ist. „So, da steh ich also mit meiner alten Leier, immer der gleichen. Wer will dergleichen hören? Niemand. Immer dieselbe Leier, aber das Lied ist doch nicht immer dasselbe! Ich schwöre, es ist immer ein anderes, auch wenn es sich nicht so anhört.“

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Lautstarke Proteste und wahre Tumulte hatte zuletzt Jelineks „Rechnitz (Der Würgeengel)“ ausgelöst, als das Stück im vergangenen Jahr in Düsseldorf zum ersten Mal mit einer zuvor gestrichenen, umstrittenen Szene auf die Bühne kam. Darin ließ Jelinek den „Kannibalen von Rotenburg“ einen vier Minuten langen Dialog mit seinem Opfer halten. Das war zu viel für das Düsseldorfer Publikum. Eine Theatermitarbeiterin wurde sogar von einem aufgebrachten Zuschauer bespuckt.


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