Leinen, Angela: Wie man den Bachmannpreis gewinnt.Gebrauchsanweisung zum Lesen und Schreiben. Heyne Verlag, München 2010. 208 S., 12,95 €. ISBN: 978-3-4536-0132-1
Von Thomas Hajduk
An einem Buch, das nicht einmal einen originären Titel trage, könne nicht viel dran sei. So meinte sinngemäß Arthur Schopenhauer, um sich anschließend über schlecht betitelte Werke auszulassen. Wollte man dieses Kriterium gelten lassen, so müsste man einen weiten Bogen um Angela Leinens neues Buch machen. Um den bekanntesten deutschsprachigen Literaturwettbewerb geht es in „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“ nämlich nur am Rande. Lesenswert ist das Buch hinter dem Umschlag dann aber doch, zumindest wenn man wissen will, was einen guten Text ausmacht.
Hat man die Titelkröte erst einmal geschluckt – und die Schuld an der Irreführung dem Marketing des Heyne-Verlags zugeschoben – entdeckt man eine unterhaltsame Sammlung von Beiträgen zur Textkritik. Anders als die unter diesem Namen daherkommenden akademischen Beiträge schreiben Leinen und ihre Gastautoren frisch und humorvoll und nehmen klar Partei – die der kritischen Leser, die sich nicht alles vorsetzen lassen wollen. Im Kern geht es um Kriterien, anhand derer Leser gute von schlechten Texten unterscheiden können. Von der Auswahl des Themas, über Figuren und Dialoge bis hin zu der Konsistenz der Geschichte reicht die Kritik an den literarischen Kunstgriffen. Das Repertoire für die mitunter peinlichen Beispiele ist dann jener im Titel angekündigte Bachmannpreis.
Überhaupt hebt sich die Leinen mit ihrer „Gebrauchsanweisung zum Lesen und Schreiben“, wie der treffendere Untertitel des Werkes lautet, angenehm von den besserwissenden Sachverwaltern und Bürokraten der Literatur ab (vulgo: Germanisten und Kritikerpäpste). Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie nicht zu diesen berufsmäßigen Schwätzern gehört, sondern schlicht eine leidenschaftliche Leserin ist. In ihrem Blog „sopranisse“ sowie dem Gemeinschaftsblog „Lesemaschine“ zeigt sie seit längerem, dass Amateure im ursprünglichen Wortsinn zu den besten Kennern ihres Gegenstandes gehören können. Im Internetzeitalter sind es diese Autodiktaten, die das elitäre Monopol der Berufskritiker auflösen. Ihnen und ihrem Urteil kommt zugute, dass sie nicht den intellektuellen Moden des akademischen Betriebes unterworfen sind und auch nicht von dem Schreiben über Literatur leben müssen. Solchermaßen belesene Köpfe genießen noch am ehesten Freiheit des Geistes.
Doch nicht nur die publizistische Funktion des „Literaturkritikers“ wird so demokratisiert. Nach Leinen sind alle Leser Textkritiker. Das ist die frohe Botschaft des Buches, und die enthaltenen Beiträge können durchaus als Aufklärung des Lesers gelten. Schade ist es, dass die Autoren diese Aufklärung ausgerechnet mit Beispielen eines Literaturwettbewerbs betreiben. Literaturwettwerbe, diese Relikte einer zur Hochkultur stilisierten Literatur, entsprechen so gar nicht der unprätentiösen Art der vorliegenden Gebrauchsanweisung.
Es mag sein, dass die Klagenfurter Veranstaltung unter allen Literaturwettbewerben noch der transparenteste, weil öffentlich ausgetragene Wettbewerb ist. Das ändert aber nichts an der jedem Literaturpreis inhärenten Willkür der Vorauswahl und der Unmöglichkeit eines objektiven Urteils über Kunst. Wettbewerbe wie der in Klagenfurt mögen für einen Literaturbetrieb unerlässlich sein – wo Menschen sind, menschelt’s eben; über wirklich gute Literatur, nämlich solche ohne Verfallsdatum, sagen zeitgenössische Wettbewerbe nur wenig aus. So erscheint das Vorwort von Kathrin Passig dann auch ungewollt ironisch. Die Bachmannpreisträgerin zählt darin so gut wie alle Kritikpunkte gegen institutionalisierte Literaturkritik auf, die es gibt, um dann doch eine Lanze für Klagenfurt (oder die Legitimität ihrer Auszeichnung) zu brechen: „die Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt sind eine fehleranfällige, alberne, tapfere, manchmal furchtbare und regelmäßig scheiternde Auseinandersetzung mit Texten und damit die beste Literaturkritik, die wir haben.“
Dass das nicht stimmt, zeigen die dem Vorwort folgenden Beiträge zum kleinen Einmaleins der Textkritik. Für Leser, die ihr Bauchgefühl zu einem Text begründen wollen, lohnt die Lektüre allemal. Nur wer schon einmal einschlägige Stil- und Schreibratgeber in der Hand gehabt haben, wird Bekanntes, dafür aber kurzweilig formuliert, wiederfinden.