NARTUM/MÜNCHEN/ROSTOCK (BLK) - Die Publikation von Teilen einer nicht veröffentlichten Textsammlung von Walter Kempowski zum Wendejahr 1989 sorgt für Wirbel. „Das ist nicht sauber, was da passiert ist“, sagte die Sprecherin des Knaus Verlages in München, Susanne Klumpp, am Dienstag (17.11.). Für den 2007 gestorbenen Schriftsteller sei das kollektive Tagebuch unter dem Titel „Whispering“ kein gewünschtes Projekt mehr gewesen. Kempowski habe sich damals entschieden, die von Zeitzeugen geschriebenen Notizen für seine eigenen Tagebuchnotizen „Alkor“ (2003) nicht zu verwenden, sagte Klumpp. „’Whispering’ ist eine Materialiensammlung und kein Manuskript.“ Deshalb werde es auch nicht veröffentlicht.
Die „Welt am Sonntag“ hatte zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls Auszüge aus den von Kempowski gesammelten Tagebuchnotizen von rund 60 Autoren veröffentlicht. Sie habe sich erst auf Nachfrage der Zeitung an den weißen Karton mit dem Titel „Whispering“ erinnert, sagte die Witwe, Hildegard Kempowski, der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Ich habe nicht mehr daran gedacht.“ Dass ihr Mann ihr den Karton im Haus hinterließ, verstehe sie als Auftrag, die Texte zu veröffentlichen. Sie habe gemeinsam mit Heimo Schwilk von der „Welt am Sonntag“ die Texte ausgewählt.
Nach Ansicht des Knaus Verlages ist eine Veröffentlichung nicht im Sinne Kempowskis. Er habe immer Wert daraufgelegt, dass er die Texte zusammenstellt, komponiert, sagte Klumpp. So wie er es auch beim „Echolot“-Projekt gemacht habe, dem kollektiven Tagebuch in vier Bänden. Deshalb werde es „Whispering“ nicht geben, „weil es ‚Whispering’ nicht gibt.“
Die Leiterin des Kempowski-Archivs in Rostock, Katrin Möller-Funk, zeigte für die Vorgehensweise des Verlags und die Kritik an der Veröffentlichung in der Zeitung wenig Verständnis: „Ich fand es schön, dass dieses Projekt so präsentiert wurde“, sagte sie der dpa. Zudem glaube sie nicht, dass es im Sinne Kempowskis gewesen wäre, auf die Veröffentlichung zu verzichten. Der Autor war vor 80 Jahren in der Hansestadt an der Ostsee zur Welt gekommen. (dpa/olb)