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Wird Schiller überschätzt?

Jürgen Wertheimer stellt Schillers Bedeutung in Frage

© Die Berliner Literaturkritik, 11.11.09

TÜBINGEN (BLK) - Friedrich Schillers Bedeutung weltweit wird nach Ansicht des Tübinger Literaturwissenschaftlers Jürgen Wertheimer in Deutschland gar zu gerne überschätzt. Auch wenn man das im „Land der Dichter und Denker“ nicht gerne höre, in der Literatur und an den Theatern der Welt sei der Nationaldichter „nicht sehr präsent“, betonte Wertheimer kurz vor dem 250. Geburtstag Schillers (1759-1805) am 10. November im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Auf keinen Fall sei er etwa mit Shakespeare oder Molière zu vergleichen. Goethe oder Hölderlin hätten da schon einen anderen Ruf. Überlebt habe Schiller die Jahrhunderte allenfalls durch die Verdopplung mit Goethe in Weimar. „Das hat ein Bild hinterlassen.“

Schiller sei auch nie der große Idealist gewesen, sagte Wertheimer, als der er allzu oft dargestellt werde. Ein großer Autor sei er dennoch, jedoch vor allem deshalb, weil er die Ideologie vorführe. „In fast jedem seiner Stücke wird die Ideologie, das System, in Frage gestellt.“ Wie kein Zweiter mache er die Verfahrensweisen der Gesellschaft in ihrer manipulativen Kraft transparent. Insofern sei Schiller heute aktuell wie eh und je. Viele seiner Figuren gingen hoffnungslos am System zugrunde. Schmerzvoll müssten sie erkennen, wie die Mechanismen der Moderne funktionieren.

Eingestehen muss der Wissenschaftler, dass sich Schiller samt seiner 200 Jahre alten Sprache nur schwer vermitteln lässt. „Qualvoll“ werde da manche Schulstunde. „Da hat jeder schon mal gelitten.“ Da werde „zwanghaft“ mit verteilten Rollen gelesen, ohne den Schülern vorher die Chance zu geben, ein Gefühl für die Situation zu bekommen, in der etwa die „Räuber“ oder ein „Wallenstein“ spielen. „Man muss den Ernst der Lage begreifen, um erfassen zu können, worum es Schiller geht.“

Lehrern rät Wertheimer, ihren Schülern beim Einstieg mit einer guten Theateraufführung auf die Sprünge zu helfen dabei, Schiller zu begreifen. „Er war nun mal ein Theatermann.“ Oder über einen Film, wie etwa den „Kabale und Liebe“-Film von Leander Haußmann. Auch Schiller selbst wäre nach Ansicht von Wertheimer heute wohl eher in den Medien zu suchen als im Theater. „Er wollte stets mit den Mittel der Kunst auf die Wahrnehmung der Menschen einwirken“, sagte Wertheimer. Das Theater sei dafür längst zu wirkungslos - und auch die Literatur habe nicht mehr die Bedeutung von einst. (dpa/wer)


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