HERRNDORF, WOLFGANG: Tschick, Rowohlt Verlag, Berlin 2011, 254 S., 16,95 €.
Von Johannes Van der Gathen
Zwei 14-jährige Pennäler aus einem Gymnasium in Berlin-Marzahn fahren mit einem geklauten Lada durch den wilden Osten Deutschlands und erleben die Sommerferien ihres Lebens. Dies ist in einen Satz gepackt die Handlung von Wolfgang Herrndorfs phänomenalen Roman „Tschick“.
Wer ihn noch nicht gelesen hat, darf sich auf ein hinreißend komisches Lektüre-Abenteuer freuen, an dem Erwachsene ebenso ihren Spaß haben können wie Achtklässler. Ein „endgeiles“ Buch, wie die Protagonisten selbst sagen würden.
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Und ein Überraschungs-Bestseller. Seit dem letzten Herbst verkaufte sich Herrndorfs Roman laut Rowohlt mehr als 110.000 Mal, die 6. Auflage ist gedruckt, und „Tschick“ ist für den Preis der Leipziger Buchmesse (17.-20. März) nominiert. Aus einem aktuellen Online-Voting von 1315 Lesern ging Herrndorf bereits als Sieger hervor.
Worin besteht die Faszination von „Tschick“? Herrndorf entwickelt seine Geschichte konsequent und sehr glaubwürdig aus der Perspektive seines jungen Ich-Erzählers Maik, der eines Tages in der Schule den zerzausten Russland-Deutschen Andrej Tschichatschow, kurz Tschick genannt, kennenlernt. Der wilde Bursche aus den russischen Weiten ist genauso ein uncooler Außenseiter wie Maik, dessen Mutter sich immer mal wieder in die Entzugsklinik verabschiedet, während sein Vater mit der Freundin in den Urlaub fährt.
Maik allein zu Haus, die Sommerferien stehen wie ein unerfüllbares Versprechen vor der Tür, und dann taucht an einem brütend-heißen Morgen der verrückte Tschick auf - in einem verbeulten Lada. Eine haarsträubende Reise durch die ostdeutsche Provinz beginnt. Dabei wollten die beiden eigentlich in die Walachei.
Herrndorf stellt sich nicht klüger als seine Protagonisten, und er biedert sich nicht an, versucht erst gar nicht, Jugend-Slang zu imitieren. Stattdessen erzählt er mit viel Sinn für Timing und Situationskomik eine ganz handfeste Abenteuergeschichte, in der trotzdem immer auch die großen Themen Freundschaft, Einsamkeit oder Liebeskummer verhandelt werden. Als Maik und Tschick auf einer Müllkippe einen Gummischlauch zum Benzinabpumpen suchen, treffen sie die verlauste Rumstreunerin Isa, und Maik entdeckt, dass Händchenhalten an einem Sommermorgen vielleicht noch schöner ist als Sex.
Diese Taugenichtse erleben ihre blauen Wunder, reisen wie Helden von Eichendorff durch die verzauberte Welt. Ein Bezugspunkt des Romans ist die deutsche Romantik, sehr zu Recht erhielt Wolfgang Herrndorf, der Malerei studierte, danach als Illustrator arbeitete und 2002 seinen Debütroman „In Plüschgewittern“ vorlegte, in diesem Jahr den mit 10.000 Euro dotierten Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg.
Weblink: Rowohlt Verlag