Die Idee ist da, der Plot ausgefeilt, und die Charaktere könnten ein wahres Feuerwerk an Emotionen abfackeln. Nur: wie das ganze zu Papier bringen? Das ist die Frage aller Fragen, die so manchem Jungautor zahlreiche schlaflose Nächte bereiten dürfte. Danell Jones, selbst schreibend tätig, will da weiterhelfen. „Der Virginia Woolf Writers’ Workshop“ soll den Schlaflosen wieder ruhigere Nächte beschere—und sie auf Ihrem Weg zum ersten eigenen Roman anleiten.
Eine Art Gebrauchsanleitung zum literarischen Schreiben also. Sehr praktisch, könnte man meinen. Aufgebaut in sieben Artikeln, deren Überschriften bereits einen ersten Eindruck vermitteln, worum es in diesem Büchlein gehen soll: Vorbereiten, Arbeiten, Erschaffen, Spazierengehen, Lesen, Veröffentlichen, Zweifeln. Erschaffen ja, Lesen auch, aber Spazierengehen? Jawohl, denn Spazierengehen „klärt die Gedanken“. Sagte zumindest Virginia Woolf. Und die musste es ja wissen. Also: 160 Seiten kurzweilige Lektüre, fertig ist der Roman. Ach, wenn doch nur alles so einfach wäre.
Anleitungen zum Bücherschreiben gibt es reichlich, Danell Jones hebt sich davon ab – nicht, weil ihr Buch der Stein des Weisen im Regal des Autors ist, sondern weil es schlicht anders ist. Sachbuch, Kurzgeschichte, Woolf-Portrait und Seminar in einem. Ob das gut ist, sei zunächst dahingestellt.
Danell Jones verschränkt Wirklichkeiten und Zeiten, um ihr Lehrbuch möglichst wenig nach Lehrbuch aussehen zu lassen. Virginia Woolf ist die Heldin des Workshops. Sie, die Ende des 19. Jahrhunderts geborene Schriftstellerin, ist es, die im 21. Jahrhundert ein fiktives Seminar zum Schreiben gibt. Danell Jones macht Virginia Woolf zur Romanfigur. Sie zitiert aus realen Briefen, Essays, Tagebüchern und Romanen der englischen Schriftstellerin, fügt sie mit ihren eigenen Ideen zusammen und baut daraus den „Virgina Woolf Writers’ Workshop“. Fragen fiktiver Seminarteilnehmer eingeschlossen.
Entstanden ist im ersten Teil des Buches eine fiktive Reportage, die den Jungautor in spe mit in den Hörsaal nimmt, in dem Virginia Woolf lehrt, wie man es richtig machen könnte. Im Anschluss an jede Vorlesung können die Studenten das Gelernte in praktischen Übungen selbst ausprobieren. Beispiel? „Schreiben Sie die Geschichte der drei kleinen Schweinchen als Bewusstseinsstrom“ und „Gründen Sie mit ein paar Gleichgesinnten einen Memoiren Club“. Wer Danell Jones Ratschläge befolgt, wird vielleicht nicht unbedingt zum Erfolgsautor, beschäftigen wird ihn das Buch jedoch eine ganze Zeit lang.
In einem zweiten, kürzeren Teil verlässt Danell Jones den Hörsaal und gibt „Anregungen zur Erzähl- und Romankunst“, „für nichtfiktionale Prosa“ und „zur Poesie“. Virginia Woolf bleibt Leitfigur, wenn auch nicht mehr als Heldin einer fiktiven Reportage. Ihre Biografie, ihre Romane und Essays sind es, die wie ein roter Faden durch diesen Teil des Buches führen. Wie entwickelte Woolf Figuren? Was schrieb sie über die Theorie des poetischen Schreibens? Welche Erzählperspektiven wählte sie? Das sind die Fragen, auf die Danell Jones knappste Antworten bietet.
Danell Jones versucht die Arbeitsweise der englischen Schriftstellerin als Muster auf heutige aufstrebende Autoren zu übertragen. Und das irritiert. Vorbilder ja, aber wie würden die Werke eines Günther Grass oder Uwe Tellkamp sich lesen, hätten sie sich allein an einem Lehrbuch nach Morgenstern und Rilke orientiert?
Und noch etwas macht dieses Buch nur eingeschränkt empfehlenswert: Die Tipps und Kniffe des „Virginia Woolf Writers’ Workshop“ sind zwar durchaus praktikabel, die zahlreichen Anregungen könnten Sinn machen—wenn man ihr Ergebnis besprechen könnte. Zwar heißt Danell Jones’ Buch „Workshop“, kann aber naturgegeben nur eine Seite eines Seminars abbilden: Theorie und praktische Übung, nicht aber Korrektur und Diskussion. Dessen muss sich der Autor in spe bewusst sein.
Wer auf Feedback verzichten kann, für den ist „Der Virginia Woolf Writers’ Workshop“ ein abwechslungsreiches und sinnvolles Lehrbuch. Allen anderen sei ein Schreibseminar empfohlen. Von einem zeitgenössischen Autor.
Von Ariane Stürmer
Literaturangabe:
JONES, DANELL / WINTER, KERSTIN: Der Virginia Woolf Writers‘ Workshop. Autorenhaus Verlag, Berlin 2008. 160 S., 16,80 €.
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