Von Paul Barz
HAMBURG (BLK) – Ein Sport-As auf der Höhe seiner Laufbahn beschließt abzutreten. Endgültig. Die Pistole für den letzten Schuss liegt bereit. So sieht Uwe Janson, Regisseur und Autor, einen den berühmtesten und umstrittensten Helden der klassischen deutschen Literatur, Goethes Werther, der aus Liebesgram und allgemeiner Weltenttäuschung zur Waffe greift. Und dies „in einer Zeit, da Selbstmord so viel wie Mord galt und Selbstmörder zuweilen am Schweif eines Pferdes durchs Dorf gezerrt wurden“.
Allein daran, sagt Janson, erkenne man, was für ein subversives Buch dieser Briefroman des gerade einmal 25-jährigen Goethe für seine Zeit bedeutete. „Das vielleicht subversivste und gefährlichste der gesamten deutschen Literatur“, findet Wolfgang Bergmann, Redakteur beim ZDF-Theaterkanal. Für den hatte Janson schon mit großem Erfolg Brechts „Baal“, Wedekinds „Lulu“ und zuletzt Ibsens „Peer Gynt“ verfilmt. Jetzt folgt mit Unterstützung von Arte und einem Etat von einer knappen Million Euro die erste Theaterkanalverfilmung, die sich an einen Roman, nicht an ein Bühnenstück anlehnt.
„Werther“, wie der verknappte Titel der 1774 erschienenen „Leiden des jungen Werthers“ lautet, entsteht derzeit in Berlin und, möglichst mit dem sehnlich herbeigewünschten Schnee, in Thüringen. Dort soll in 770 Metern Höhe in einem Jagdhaus auf dem Kickelhahn gedreht werden, wo schon Goethe selbst wiederholt nächtigte.
Sonst ist Jansons Verfilmung ganz im Heute angesiedelt, auch in der Besetzung. Janson, zugleich Autor des Drehbuchs: „Die größte Schwierigkeit machte eigentlich die Gestalt der Lotte, in der sich das Frauenbild einer sehr vergangenen Zeit ausdrückt. Wir haben deshalb bewusst eine so modern und selbstständig wirkende Schauspielerin wie Hannah Herzsprung gewählt.“ Auch Werther-Darsteller Stefan Konarske ist ein sehr moderner, eher schlaksiger Goethe-Held ohne den Schmelz einer „klassischen“ Jünglingsgestalt. Erstsendung wird voraussichtlich im Oktober (2008) bei Arte sein, und mit etwas Glück übernimmt das ZDF diesen „Werther“, wie schon Leander Haußmanns „Kabale und Liebe“-Verfilmung für den Theaterkanal, ins Hauptprogramm.
Janson will aber mit seiner eigenen frisch gegründeten „Sturm und Drang“-Produktionsgesellschaft unbedingt weitere Sturm-und-Drang-Werke verfilmen: „Diese Zeit in ihrer Umbruchstimmung ist uns sehr nahe.“ Gedacht wird an Hölderlins „Hyperion“ und, eventuell sogar als Kinofilm, Schillers „Räuber“. Die sollen aber nicht handzahm geglättet, sondern so schön wild, grausam und obszön wie das Schillersche Original werden. Janson mit einem Lachen und Seufzen zugleich: „Kein Film, in den Schulklassen pilgern werden. Wenn er so wird, wie ich ihn mir wünsche, wird er nicht unter 16 freigegeben.“