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Zeitschrift No. 5978 und nicht zuviel

Das neue Literaturmagazin „Taschentiger“

© Die Berliner Literaturkritik, 17.03.09

 

Das Editorial der neuen Literaturzeitschrift Taschentiger, die vom Gonzo Verlag Mainz herausgebracht wird, sagt es mit wunderbarer Deutlichkeit: Besteht die Notwendigkeit einer neuen Literaturzeitschrift? Natürlich nicht. Ist diese Rechtfertigungen eintreibende Frage aber überhaupt von Belang? Ebenso wenig. Die Mainzer Verlegerin Miriam Spies gibt sich in diesem Punkt mit großer editorisch-literarischer Ehrlichkeit: Wir sind reiner Luxus. Punkt.

Dieses feine, luxuriöse Konzept bedeutet nun aber nicht, dass der Taschentiger nur von Leuten gelesen werden kann, die die verbleibende Lektürezeit auf einer Breguet ablesen oder, dass er brillant auf foliantenformatiges Photopapier gedruckt ist. Ganz im Gegenteil: man hat sich puristisch in den Dienst des Nobelartikels Text gestellt, und kommt recht spartanisch daher. Das Schriftbild ist schlicht, und kokettiert nur in Fußzeilen und Überschriften mit der Schreibmaschine, das Papier ist weiß und in Schwarz wurde gedruckt, auf den 130 Seiten finden sich, von (Eigen-)Werbung abgesehen, nicht mehr als vier Illustrationen, und auch dabei ist die Abbildung des Vorsatzblattes schon mitgezählt.

Die seitenstarke Zählung ergibt sich aus der markantesten Äußerlichkeit des neuen Periodikums, bzw. (ich folge der Selbstbeschreibung) Antiperiodikums. Mit einem Wort: Ein Taschentiger hat die Abmessungen eines Reclamheftes, er liegt in der Hand wie die Kreisleriana; die Seiten sind nur wenige Millimeter breiter. Und nun wird man der Herausgeberin mit  gebotenem Respekt widersprechen dürfen: so etwas war durchaus nötig.

Eine Zeitschrift, die sich geradezu essentialistisch des Texttransportes annimmt, und dem jungen urbanen Publikum mit urbanem Text und Pragmatismus entgegenkommt: ein Format für U-Bahnen, für die kleinsten Fächer des Rucksacks, ein Tiger in sämtlichen Taschen, ein Büchlein, das sich konzentriert wie ein Riegel oder Schlagbolzen.

Damit endlich zu den Ingredienzien und Inhalten der Nr.1. Der Taschentiger versammelt Texte von noch weitgehend unbekannten Autoren, was allerdings nicht heißen soll, dass noch niemand etwas von ihnen gehört hat, oder man auf hiesiger Homepage nicht fündig wird. In dieser ersten Nummer sind Tom Bresemann, Niklas Hughes, Thomas Jacobs, Dominic Memmel, Ron Mertiny, Holger Sasum, Benjamin Schaefer, Clemens Schittko, Dominik Schönecker, Lutz Steinbrück, Bernd Ternes, Kathrin Weßling und Andreas Wagner zu Gange.

Dem Ein-Wort-Motto des Gonzo Verlages getreu geht es hier mehr um Erlebtes, um Sprache, die sich auch sprechen lässt, um Boden unter den Füßen, im Großen und Ganzen mehr als um vertrackte Sprachkristalle; auch wenn einige der abgedruckten Gedichte durchaus mit dieser Sphäre liebäugeln. Im Taschentiger finden sich so ein Bericht von einer Frankfurter Kulturmesse, oder was eine hätte werden sollen, eine Musikreportage in verschiedenen Zeitzonen zu Rio Reiser, Erzählungen, in denen gereist, Zeit verbraucht, ge- und entliebt wird, Betrachtungen von Thomas Jacobs zu Zufall und Chaos, und eine scharfsinnige Analyse des Dschungelcamps von Bernd Ternes, um die bunte Mischung nur anzuschneiden.

Dem Taschentiger angeheftet ist eine kleine CD mit zwanzigminütigem Akustikbonusprogramm: gelesene oder zum klanguntermalten Hörspiel erweiterte Texte und Musik, moderiert von der Herausgeberin Miriam Spies.

Die schon angesprochene Bewegung durch den urbanen Raum kann vielleicht als das natürliche Biotop dieser bunten Mischung angesprochen werden, wozu auch die Länge der Texte stimmt: aber die Qualität der einzelnen Teile genügt auch dem „klassischen“ Lesen in einer bequemen und unbewegten Sitzgelegenheit. Ganz im Gegenteil wird man sich bei solcher stilleren Lektüre freuen, keine Haltestellennamen mehr im Augenwinkel behalten zu müssen.

 

Von Tobias Roth

Literaturangaben:
SPIES, MIRIAM (Hrsg.): Taschentiger. Das gONZo Magazin. Gonzo Verlag, Mainz 2008. Ausgabe 1 / Dezember 2008. 6,50 €.


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