Von Susanna Gilbert-Sättele
Rastlos reist Peter Prange durch die europäische Kulturgeschichte und nach jedem seiner Ausflüge kehrt er mit einem spannenden Romanstoff zurück. Seine Bücher handeln von England im industriellen Aufbruch („Der Glaspalast“), vom Osmanischen Großreich vor dem Zerfall („Der letzte Harem“) oder vom Nachkriegsdeutschland („Das Bernstein-Amulett“). Sein neues Buch „Die Gottessucherin“ spielt im Zeitalter der Renaissance, und auch hier ist die Begeisterung des Autors für die Menschen und ihren historischen Kontext zu spüren, die wohl der Schlüssel zum Erfolg seiner Werke ist.
Wer die Geduld aufbringt, das bewegte Schicksal einer starken Frau des 16. Jahrhunderts durch fast 800 Seiten mitzuerleben und dabei der Frage nachzugehen, ob die Liebe zu Gott über der menschlichen Liebe zu stehen hat, wird mit einer bilder- und kenntnisreichen, manchmal etwas überfrachteten, aber immer faszinierenden Lektüre belohnt.
Es gab sie wirklich: Gracia Mendes war nicht nur eine bedeutende Vertreterin der jüdischen Geschichte, sondern als Leiterin eines großen Handelshauses, als reiche Mäzenin und mutige Beschützerin verfolgter Juden eine der bedeutendsten Frauen der europäischen Renaissance. Das 1510 geborene Kind zwangsgetaufter Juden verbrachte seine Jugend in Portugal, heiratete einen reichen Händler und floh, nachdem sie mit 26 Jahren Witwe geworden war, vor der Inquisition in das Haus ihres Schwagers nach Antwerpen. Von dort aus organisierte sie die Flucht anderer Marranen aus ihrem Heimatland.
Sie siedelte später nach Ferrara um, wo sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben offen zu ihrem jüdischen Glauben bekennen konnte. Nachdem sie in Venedig verhaftet worden war, ließ sie sich in der Türkei nieder und gab von dort die erste Übersetzung der Bibel ins Spanische in Auftrag. Die Verbrennung von Marranen auf dem Scheiterhaufen im italienischen Ancona war für sie Anlass, einen Boykott jüdischer Kaufleute zu organisieren. Dass der an der Zögerlichkeit von Rabbinern scheiterte, enttäuschte sie tief.
Pranges Verdienst ist es, einer Frau ein literarisches Denkmal zu setzen, die tausende Conversos, also zwangsgetaufte Glaubensbrüder, vor dem Feuertod durch die Inquisition bewahrte und die sogar mit Unterstützung des osmanischen Herrschers Süleyman des Prächtigen in Tiberias den uralten jüdischen Traum vom Gelobten Land wahr machte und - wenn auch nicht von Dauer - in Palästina eine jüdische Siedlung gründete. Der Autor, dessen Bücher Millionenauflagen haben, zeichnet sie als tatkräftige und kompromisslose Frau, die in ihrer Treue zum Glauben an die Menschen, die sie liebt, schuldig wird.
Prange haucht dieser außergewöhnlichen historischen Gestalt, von der kaum noch jemand etwas weiß, Leben ein und versetzt sich und seine Leser detailgetreu in eine Welt der gesellschaftlichen Umbrüche und religiösen Verfolgungen. War noch beherrschendes Thema seiner „Weltenbauer“ - Trilogie die Suche des Menschen nach dem Paradies auf Erden, dann ist es in seinem neuen Werk die Suche einer Frau nach dem jenseitigen Paradies. Fluch und Segen religiösen Glaubens verleihen dem Roman seine Brisanz. Denn „vom Glaubenseifer zum Glaubensfanatismus ist es nur ein Schritt“, sagte Prange kürzlich in einem Interview.
Literaturangabe:
PRANGE, PETER: Die Gottessucherin. Droemer Verlag, München 2009. 768 Seiten, 22,95 €.
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