Von Klaus Blume
Hätte Saddam Hussein doch auf Fidel Castro gehört: In zwei Briefen forderte der kubanische Revolutionsführer den irakischen Diktator im Spätsommer 1990 eindringlich auf, sich aus Kuwait zurückzuziehen und so eine Militärintervention der USA zu vermeiden. „Dieser Krieg kann für die Region und insbesondere für den Irak außerordentlich zerstörerisch sein“, warnte Castro.
Bekanntlich schlug der Herrscher in Bagdad die Warnung aus Havanna in den Wüstenwind, und der weitere Gang der Geschichte ist bekannt. Nachlesen kann man die Briefe in der jetzt auf Deutsch erschienenen Castro-Biografie des Spaniers Ignacio Ramonet. Gut 100 Stunden hat der langjährige Chefredakteur von „Le Monde Diplomatique“ und Mitgründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac zwischen Januar 2003 und Dezember 2005 mit dem „Máximo Líder“ gesprochen. Daraus entstand ein Buch in Interviewform – eine „zweistimmige Biografie“, wie Ramonet es nennt.
Der 1926 geborene Castro hat viel zu erzählen – über sein Leben, über die kubanische Revolution und über sein Verhältnis zu den Staatsmännern dieser Welt. Keiner der Führer der Dritten Welt hat sich so lange an der Macht gehalten wie er. Kein Feind in Washington, sondern erst eine schwere Krankheit zwang den Comandante, die Führung nach fast 50 Jahren an seinen Bruder Raúl abzugeben.
Castro spart nicht an Details – ob es um seine Kindheit in der ostkubanischen Provinz, seine Zeit als Studentenführer oder den Kampf als Guerrillero in der Sierra Maestra geht. Vieles ist aus früheren Castro-Biografien bekannt. Ausführlich kann man jetzt den Briefwechsel zwischen Castro und Sowjetführer Nikita Chruschtschow während der Kubakrise 1962 verfolgen. Castro zürnt dem Kremlchef, weil dieser mit US-Präsident John F. Kennedy den Abzug der russischen Atomraketen aus Kuba vereinbarte, ohne seinen Freund zu konsultieren.
Der Leser erfährt, dass Castro US-Präsident Jimmy Carter („ein Mann mit Ethik“) ebenso schätzte wie Bundeskanzler Willy Brandt („Mann mit Visionen“). Weniger gute Worte findet Castro für Michail Gorbatschows Perestroika: „Die Sowjets haben sich in der Tat selbst zerstört.“ Zu seinen Lieblingsfeinden zählt der frühere spanische Regierungschef José María Aznar („genetisch reaktionär“).
Ramonet macht aus seiner Sympathie für die kubanische Revolution kein Hehl, und oft dient er nur als Stichwortgeber, der Castro weit ausholen lässt. Etwas bohrender wird der Interviewer bei der Frage der politischen Gefangenen und der Todesstrafe auf Kuba. Als Castro sich dazu versteigt, friedliche kubanische Regimekritiker mit Terroristen der RAF, ETA oder Roten Brigaden in Europa zu vergleichen, lässt Ramonet dies aber unwidersprochen.
Castros Familienleben – er soll mindestens sieben Kinder haben – kommt nicht vor, denn das ist auf Kuba tabu. Dafür verrät Castro, wie viel er als kubanischer Präsident verdiente: Umgerechnet 30 US-Dollar im Monat. Inzwischen ist Castro Pensionär – und Ramonets Buch ein Stück Zeitgeschichte. Zu den Stärken zählen die bunten Schilderungen aus Castros Leben, eine ausführliche Chronologie und die Präsentation von Castros Weltsicht aus erster Hand. Historiker werden es schätzen. Allerdings gibt es oft Längen und Wiederholungen. Ärgerlich sind die vielen falschen Jahreszahlen und Schwächen in der Übersetzung.
Seit dem 24. Februar 2008 ist Fidels fünf Jahre jüngerer Bruder Rául als neuer Vorsitzender des Staats- und Ministerrates offiziell im Amt. Ihm ist eine weitere Neuerscheinung dieses Herbstes gewidmet. In „Kuba im Umbruch“ untersucht der frühere deutsche Botschafter Bernd Wulffen die Chancen für eine politische und wirtschaftliche Öffnung in einem der letzten kommunistischen Länder der Welt.
Wulffen war von 2001 bis 2005 Berlins Mann in Havanna und hat über diese Zeit schon in „Eiszeit in den Tropen“ (Ch. Links, 2006) berichtet. Er sieht Anzeichen für einen allmählichen Wandel unter Raúl Castro. So dürfen die Kubaner, wenn sie das Geld dafür haben, jetzt Computer, Handys und Motorräder kaufen oder die bisher Ausländern vorbehaltenen Hotels betreten. Von großer Bedeutung sei die Möglichkeit des Landerwerbs durch private Bauern.
Raúl, der seit seiner Jugend an der Seite Fidels kämpfte und später sein Stellvertreter in allen Ämtern wurde, hat immer die Öffentlichkeit gescheut. Wulffen hatte sich als Botschafter mehrfach vergeblich um einen Gesprächstermin bemüht. Raúl bleibt „der Undurchsichtige, der Rätselhafte“. Aus den verfügbaren Quellen zeichnet Wulffen den Lebensweg von Kubas neuem ersten Mann nach.
Anders als der Attac-Mann Ramonet widmet sich Wulffen auch ausführlich dem zentralen wirtschaftlichen Problem Kubas: Dem „Würgegriff der Zentralverwaltungswirtschaft“. Nur widerwillig hatte Fidel Castro seit 1993 einige eng begrenzte marktwirtschaftliche Reformen zugelassen, um die Versorgungslage auf der Insel zu verbessern. Kuba brauche neue Wirtschaftsstrukturen, die die private Initiative belohnten, schreibt Wulffen. Er glaubt, dass Raúl mit dem chinesischen Modell einer wirtschaftlichen Öffnung unter Beibehaltung der Einparteienherrschaft liebäugelt.
Von einigen Namensfehlern abgesehen, bietet Wulffens Buch ein gutes und brandaktuelles politisches Porträt des Landes und zeigt mögliche Entwicklungswege auf. Man sollte es allerdings zügig lesen, da sich in einem Land im Umbruch der Stand der Dinge auch schnell ändern und ein aktuelles Buch veralten kann.
Literaturangaben:
RAMONET, IGNACIO: Fidel Castro. Mein Leben. Rotbuch Verlag, Berlin 2008. 784 S., 29,90 €.
WULFFEN, BERND: Kuba im Umbruch. Von Fidel zu Raúl Castro. Ch. Links Verlag, Berlin 2008. 272 S., 16,90 €.
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