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Zwei neue Hörbücher

Marie-Aude Murails „Simpel“ und Thomas Manns „Tod in Venedig“

© Die Berliner Literaturkritik, 06.10.09

Gar nicht simpel: Das Leben von „Simpel“

Simpel ist 22 Jahre alt und „ein I-d-i-o-t“, wie er jedem gerne erklärt. Der geistig behinderte junge Mann, der in Wirklichkeit Barnabas heißt, ist auf dem Entwicklungsstand eines Dreijährigen stehen geblieben. Nach dem Tod der Mutter hat ihn der Vater in ein Heim gesteckt, das Simpel hasst. Bis ihn sein 17-jähriger Bruder Colbert da rausholt und mit ihm in eine Pariser WG zieht. Zunächst treffen Simpel und Colbert geballte Vorurteile und Abneigungen der vermeintlich so toleranten Studenten-WG. Schon bald aber stellt sich heraus, dass Simpel nicht nur ein absolut sympathischer Typ, sondern auch eine echte Bereicherung für das Leben der jungen Leute ist - schon allein deshalb, weil er alle in der WG schwelenden Streits und Liebeshändel einfach laut benennt und die Beteiligten zum mitunter urkomischen Reagieren zwingt.

Die Französin Marie-Aude Murail hat eine wirklich witzige und warmherzige Geschichte geschrieben. Hörbuchsprecher Martin Baltscheit gelingt es, den Charme der Erzählung nicht nur zu bewahren, sondern daraus noch mehr Leben, Liebe und Abenteuer zu holen. Wie er Simpel und sein geliebtes Stofftier und Alter-Ego Monsieur Hasehase, den gestressten Colbert und die WG-Bewohner spielt, verdient allen Respekt. Am Ende haben alle mit Genuss dazugelernt: Simpel, die WG-Bewohner und der Hörer.

Tod in Venedig“: Neu interpretiert ohne zu verfremden

Wer sich Thomas Manns Klassiker „Der Tod in Venedig“ - vielleicht zum wiederholten Male - vornimmt, der muss sich erst einmal auf die minuziösen Schilderungen zum Venedig-Aufenthalt des Schriftstellers Gustav von Aschenbach einlassen. Danach aber wächst die Bewunderung für die geschliffene, tiefgründige Sprache des Literatur-Nobelpreisträgers von Zeile zu Zeile. Von Visconti im Jahr 1971 verfilmt, bekommt die Novelle in der Hörspielregie von Ulrich Lampen ein neues, eigenes Leben. Von Ulrich Noethen als Erzähler und Rüdiger Vogler als Aschenbach mit der nötigen emotionalen Distanz interpretiert, lässt das Hörspiel aber noch genügend Platz für die eigenen Vorstellungen und Gefühle. Die Hörspielmacher verknüpfen dezent die erotische Gefühlswelt des Schriftstellers mit der morbiden Atmosphäre des von fauligem Wasser durchzogenen Venedig.

Der alternde Aschenbach gerät in der vor dem Ersten Weltkrieg spielenden Novelle in den erotischen Bann des adeligen Jünglings Tadzio. Sogar als er erfährt, dass in Venedig die Cholera ausgebrochen ist, verlässt Aschenbach den Ort nicht. Es ist überliefert, dass Mann die Novelle für sein bestes Werk hielt. Kommentatoren und angeblich auch seine Ehefrau Katja Mann glaubten, in der Novelle die homoerotische Neigung Manns zu erkennen. (dpa/beh)

Literaturangaben:

MURAIL, MARIE-AUDE: Simpel. Hörcompany, Hamburg 2009. 308 Min., 19,95 €.

MANN, THOMAS: Tod in Venedig. Hörverlag, München 2009. 153 Min., 19,95 €.

Weblinks:

Hörcompany

Hörverlag


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