Von Irma Weinreich
Der Colonel der englischen Besatzungstruppen im kriegszerstörten Berlin, Stuart Melchior Fosko, ist ein fieser und finsterer Mann. Für seine Nebengeschäfte geht er über Leichen und macht sogar mit den Russen gemeinsame Sache, wenn es um einträgliche „Ware“ geht. Zumindest gibt er das vor. Der unansehnliche Fettwanst schmückt sich mit einer Geliebten – Sonja, die am liebsten Beethoven spielt und der er einen Affen schenkt. Bei seinen Geschäften ist sie ein nützlicher Lockvogel.
Natürlich habe es keinen Colonel Fosko gegeben, beugt Dan Vyleta, Autor des spannungsreichen Spionagedramas „Pavel & Ich“, in einem Nachwort vor. Überschreitungen der Machtbefugnisse der Alliierten in der nach dem Untergang der Nazi-Diktatur in vier Zonen geteilten Stadt sind dagegen historisch verbrieft. Vyleta schärft den Blick auf den sich ankündigenden Kalten Krieg zwischen Sowjets und Westmächten. In dem mit der Beschreibung konkreter Lebensumstände gespickten Thriller verpackt er geschickt eine zarte Liebesgeschichte. Dass andere Autoren mit dem Thema schon erfolgreich waren, nimmt er als Anregung seiner Fantasie.
Die Geschichte beginnt in der Vorweihnachtszeit 1946 und endet wenige Monate später. Während die meisten Menschen im Jahrhundertwinter ums nackte Überleben kämpfen, suchen Russen und Briten fieberhaft nach einem an den Forschungen für Hitlers Wunderwaffe beteiligten Experten. Der Dolmetscher Pavel Richter, ein ehemaliger amerikanischer GI deutsch-russischer Herkunft gerät dabei zufällig zwischen die Fronten, nachdem ihm ein Freund einen Koffer mit der Leiche eines Zwergs, der sich als Spion der Russen entpuppt, in die Wohnung schleppt. Bei der abenteuerlichen Suche nach den Motiven dieses Mordes entdeckt Pavel die geheimen Machenschaften und Verbrechen von Colonel Fosko und landet schließlich als Gefangener in dessen Villa.
Die berechtigte Vermutung: Pavel gelangte in den Besitz eines Films vom Versteck des exponierten Wissenschaftlers. Über Tage in einem Käfig wie ein Tier gehalten, verweigert er hartnäckig jede Aussage. Foskos auf Folter und Mord spezialisierter Gefolgsmann Peterson (alias Ich) sieht sich der schwersten Aufgabe seines Lebens gegenüber. Der Auftrag, den Gefangenen ausnahmsweise sanft – im Gespräch – „zu knacken“, geht schief. Schließlich sind es die Russen, die Pavel befreien und mit seiner Hilfe den Wissenschaftler aufstöbern. Die Freude der Sowjets über die Trophäe währt kurz. Beim Abtransport kommt der bei einem von Pavel verschuldeten Unfall ums Leben. Zufall oder Absicht? Es bleibt nicht das einzige ungelüftete Geheimnis.
„Pavel & Ich“ ist der erste Roman von Vyleta. Der in der Tschechoslowakei geborene Autor kam mit seinen Eltern Ende der 60er Jahre in die Bundesrepublik. Nach einem Studium in Cambridge lebte er zeitweilig in Berlin. Heute ist er in Edmonton (Kanada) zu Hause.
Literaturangaben:
VYLETA, DAN: Pavel und Ich. Verlag Bloomsbury, Berlin 2009. 413 S., 22 €.
Verlag