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Zwischen Moral und Karriere

Barbara Vines neuer Roman „Das Geburtagsgeschenk“

© Die Berliner Literaturkritik, 07.01.10

Von Frauke Kaberka

Bedarf es noch einschlägiger Beweise, dass zu einem extrem spannenden Thriller weder massenhaft Leichen noch mordlüsterne menschliche Ungeheuer gehören müssen? Nun denn, Barbara Vine liefert sie in ihrem neuesten Roman „Das Geburtstagsgeschenk“. Schauplatz der Handlung ist London in den 90er Jahren, Hauptakteur der aufstrebende junge Tory-Politiker Ivor Tesham, dem unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher und ihrem Nachfolger John Major eine verheißungsvolle Karriere winkt.

Dass er auf dem steilen Weg nach oben strauchelt, zwischen eigenen Moralansprüchen und denen der Gesellschaft hin- und hergerissen ist und letztlich vor dem befürchteten Druck der Boulevardpresse kuscht, wird schnell klar, nimmt aber keineswegs die Spannung. Vine, die auch unter ihrem Namen Ruth Rendell sehr
erfolgreich zahlreiche Bücher veröffentlicht hat, webt aus den verschiedensten Seiten der menschlichen Natur ein Gespinst, in dem sich jeder Protagonist auf seine Weise verfängt und sich – wenn überhaupt - meist nur durch einen Kraftakt befreien kann.

 Aus zwei Perspektiven wird das Schicksal Teshams beleuchtet. Zum einen ist da sein absolut loyaler und integrer Schwager Rob, der wahrhaftig nicht alles gutheißt, was er vom Bruder seiner Frau erfahren muss: Zunächst, dass der Junggeselle ein Verhältnis mit der bildhübschen, aber verheirateten Hebe hat. Und erst recht später...  Als Alibi-Freundin muss Jane herhalten, die ein Tagebuch führt und darin auch vermerkt, wann immer sie für Hebes Tête à Tête mit Tesham lügt. Ihre Perspektive ist – hauptsächlich aus Neid und Hader mit dem eigenen, nicht unbedingt gnädigen Schicksal - stark subjektiv beeinflusst.

Tesham hingegen scheint von Gott und Natur gesegnet zu sein. Er ist intelligent, gut aussehend, vermögend und beliebt. Dass Hebe verheiratet ist, kommt dem bindungsscheuen Mann entgegen, und dass sie seinen Hang zu etwas abartigen Sexpraktiken teilt, macht das Verhältnis zwischen beiden nahezu optimal. Bis Tesham auf die Idee kommt, gerade diese Sadomaso-Vorliebe für ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art zu nutzen - mit tödlichen Folgen. Und damit beginnt die eigentliche Handlung.

Für den Politiker - obwohl schuldlos - kommt es nicht infrage, sein Verhältnis mit der jungen Frau öffentlich zu machen. Weniger sein Gewissen als die Angst vor einer Enthüllung und einem möglichen Karriereende macht ihm zu schaffen. Und das über Jahre, mit unterschiedlichen Gewichtungen in jede Richtung. Scheibchenweise werde  ihm und dem Leser neue Erkenntnisse serviert - zum Teil durch nicht vorhersehbare Ereignisse, zum anderen durch Janes Tagebuch. Ein irres Wechselspiel der Gefühle ist die Folge. Und das beschreibt die Meisterin des psychologischen Thrillers ebenso ruhig, wie es den Leser atemlos macht - bis zum absolut passenden Ende. Wahre Erzählkunst eben, mit einer ordentlichen Portion Gesellschafts- und Politikkritik und unverbrämter Schelte für die Boulevardpresse.

 

Literaturangabe:

VINE, BARBARA: Das Geburtstagsgeschenk. Diogenes Verlag, Zürich 2009.              380 S., 22,90 €.

Weblink:

Diogenes Verlag

 

 


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