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Arminius Verrat an „Varus“

Iris Kammerers erfrischend anderer Roman schildert die Geschichte der Varus-Schlacht aus der Perspektive der Opfer

© Die Berliner Literaturkritik, 22.12.08

 

Von Susanna Gilbert-Sättele

Die Varus-Schlacht und der Sieg eines germanischen Heeres über die materiell weit überlegenen Römer hat die Fantasie der Menschen seit jeher beflügelt. Der Cheruskerfürst Arminius (17 v. Chr.-21 n. Chr.) wurde besonders im Zuge der Germanentümelei des 19. Jahrhunderts und später in der Nazi-Propaganda als „deutscher Held“ vergöttert, während der römische Statthalter Publius Quinctilius Varus (47/46 v. Chr.-9 n. Chr.) als Besiegter dem Gespött der Menschheit preisgegeben wurde. Die Hintergründe der vernichtenden Schlacht, der im Jahre 9 n. Chr. drei römische Legionen und insgesamt bis zu 20 000 Menschen zum Opfer fielen, hat Iris Kammerer ins Zentrum ihres erfrischend anderen Romans „Varus“ gestellt. Die Annäherung an diesen Wendepunkt der Geschichte, der sich im kommenden Herbst vor 2000 Jahren ereignet hat, könnte kaum packender sein.

Angetreten mit dem Vorsatz, die Geschichte der Schlacht aus der Perspektive der Opfer zu erzählen, zeichnet Kammerer den römischen Statthalter als einen besonnenen und klugen Mann, der seinen Gefolgsleuten so sehr vertraut, dass er Warnungen vor einem Hinterhalt der Germanen nicht glauben mag. Varus bereitet den Rückzug seiner Legionen in das Winterquartier und parallel die Niederschlagung einiger lokaler Aufstände vor. In seinem Beraterstab hat Arminius stets eine privilegierte Position inne, gilt er, der eine beispiellose Karriere zum Führungsoffizier und in den römischen Ritterstand hingelegt hat, doch als überaus verlässlicher Bundesgenosse. Selbst als der Cherusker unter dem Vorwand vorausreitet, Verbündete zu sammeln, ahnt Varus nicht, dass ihm ein von langer Hand geplanter Komplott wenig später den Untergang bringen wird.

Arminius alias Hermann ist nämlich keineswegs der gradlinig-mutige Mitstreiter, den Varus in ihm sieht, sondern ein machtbesessener und grausamer Krieger, der weder vor Verrat noch vor Untreue zurückschreckt, um seine Ziele zu verfolgen. Doch auch wenn es ihm gelang, ein Achtel des römischen Gesamtheeres zu vernichten und die Expansion der Römer bis zur Elbe zu stoppen, so war doch sein Erfolg nicht von langer Dauer: Nur zwölf Jahre später wird er von den eigenen Verwandten ermordet. Auf einer zweiten Ebene schildert Kammerer das Schicksal eines jungen Paares, das in den Strudel der Ereignisse gerät und sich nur nach überaus waghalsigen Manövern und einer abenteuerlichen Flucht retten kann.

Wenn man sich durch die ersten fünfzig, eher ereignislosen Seiten hindurch gelesen und die Namen der verschiedenen Personen – Quintus Numonius Vala, Gaius Caelius Caldus oder Aulus Caecilius Sabinus – auseinanderzuhalten gelernt hat, entfaltet sich die Magie dieser Geschichte so stark, dass man sie zu Ende lesen muss. Glänzend recherchiert – was an sich schon angesichts der dürftigen Quellenlage eine Leistung ist – führt Kammerer ihre Leser so dicht an ihre Protagonisten heran, dass sie sich mitunter mitten im Schlachtengetümmel wähnen, atemlos mit ihren Helden fliehen und die Todesangst der Besiegten hautnah spüren können.

Literaturangaben:
KAMMERER, IRIS: Varus. Taschenbuch. Heyne Verlag, München 2008. 445 S., 8,95 €.

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