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Korrupte, kommerzielle Kommunisten

Leonardo Paduras „Ein perfektes Leben“

© Die Berliner Literaturkritik, 19.08.04

 

FRANKFURT AM MAIN (BLK) – Wenige Vorstellungen dürften bei uns größeres Unbehagen hervorrufen als die eines Ordnungshüters ostblocksozialistischer Prägung, der unter seiner Amtsschale das Herz eines verhinderten Schriftstellers hüte, findet die „FAZ“. Der literarisch ambitionierte Vopo – ein widersinniges, ja unappetitliches Schreckgespenst.

Den völlig ungeahnten Charme einer Art melancholischen Philip Marlowes des Marxismus-Leninismus gewinne diese Figur allerdings, wenn man sie zum Kriminalermittler mache und vor die morbide Fassade des letzten Ostblocklandes der Erde setze: auf eine Insel im geographischen wie metaphorischen Sinne. In Gestalt des Leutnants Mario Conde aus Havanna habe der Journalist und Erzähler Leonardo Padura Fuentes den Eintritt der kubanischen Revolutionspolizei nicht nur in die Ära des karibischen Postsozialismus, sondern auch des Postmodernismus besiegelt. Denn „El Conde“ – zu deutsch „Der Graf“ – sei ein Aristokrat unter den proletarischen Spürnasen der kubanischen Kripo und als passionierter und gebildeter Ermittler nicht nur ein Seelenverwandter von Maigret und Sherlock Holmes: Er habe auch all deren Fälle bereits gelesen. Für ihn sei die Existenz als Hüter sozialistischer Ordnung im Grunde nichts weiter als ein Abfallprodukt einer gescheiterten Karriere als Schriftsteller und einer Unzahl menschlicher und gesellschaftlicher Desillusionen.

Dieser Roman biete eine Mischung aus Spannung, Erotik, Gesellschaftskritik und einer Spur Exotismus, die vielleicht als Ziel neben anderen auch die Verkaufsregale westlicher Buchmärkte habe. Doch es sei vielleicht gerade das unverhohlene Schielen auf wirtschaftlichen Erfolg, welches Paduras Romanen ihren eigenartigen Reiz verleihe. Durch sein Lavieren zwischen Kommunismus, Kommerz und Korruption sichere Padura seinem Mario Conde einen Platz unter den Antihelden des vergangenen Jahrhunderts. (dum/art)

Literaturangaben:
PADURA, LEONARDO: Ein perfektes Leben. Roman. Erster Band des „Havanna-Quartetts“. Übersetzt aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Joachim Hartstein. Unionsverlag, Zürich 2003. 286 S., 18,90 €.


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