MÜNCHEN (BLK) – Andreas Dorschel bespricht Ernst Wiecherts Buchenwald-Bericht „Der Totenwald“ in der Süddeutschen Zeitung („SZ“). Wiechert schildere in dem dokumentarischen Text seine Gefangenschaft im Konzentrationslager, jedoch nicht, ohne auf eine „Stilisierung zum literarischen Kunstwerk“ zu verzichten. Das 1946 erstmals veröffentlichte und seither mehrfach herausgebrachte Buch erscheint nun in neuer Auflage im Suhrkamp Verlag.
Zwar trägt Wiecherts Werk den Untertitel „Ein Bericht“, doch soll „Der Totenwald“ vielmehr die Einleitung „zu einer großen Symphonie“ sein. Und so lösen sich, wie in der Musik, auch bei Wiechert alle Dissonanzen „letzten Endes in Konsonanz“ auf. Er lasse sein Alter Ego, den „frommen Schöngeist“ Johannes, in „Hitlers Regime das Reich des Antichristen“ erkennen und das Deutschtum am Ende salvieren. Weiterhin sei die musikalische Metapher der Symphonie nicht zufällig gewählt, meint Dorschel, denn an der Musik werde für Johannes das „Unrecht der Nazis“ kenntlich. Der Anschluss Österreichs werde nämlich erst dadurch bedenklich, da es das Heimatland großer Künstler ist. Andernfalls wäre der Einmarsch der Nazis „so arg nicht gewesen“, schlussfolgert Dorschel. Auch die Deutschen begreife der „enttäuschte Nationalist“ Johannes als Kulturvolk. Aus diesem Grund treibe ihn die Frage um, warum sie also ihre eigenen Landsleute ans Kreuz schlagen. Die Antwort findet er im „Einbruch Asiens“ ins Abendland, welches sich als etwas „Fremdes, zutiefst Undeutsches“ den Deutschen bemächtigt hat.
Dorschel erkennt in Johannes das „getreue Spiegelbild“ Wiecherts, welcher sich den Sieg des Nationalismus über „die von ihm verachtete Weimarer Demokratie“ ästhetisch befriedigender und moralischer vorgestellt habe. So trösteten sich beide damit, dass der Nationalsozialismus nicht „zur abendländischen Geschichte“ zähle, sondern Resultat asiatischen Einbruchs sei. Deutschtum und Abendland werden „letzten Endes salviert“, kritisiert Dorschel. Dennoch bewertet er Wiecherts „Der Totenwald“ als lediglich „dummes Buch eines guten Menschen“. (mir/wip)
Literaturangaben:
ERNST WIECHERT: Der Totenwald. Ein Bericht. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 184 S., 13,80 €.
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