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Das Ende der Frankfurter „Suhrkamp-Kultur“: Verlag geht nach Berlin

Anfang 2010 siedelt der Traditionsverlag an die Spree

© Die Berliner Literaturkritik, 06.02.09

 

Von Thomas Maier

FRANKFURT AM MAIN (BLK) – Die Entscheidung kam für die 130 Suhrkamp-Beschäftigten am Freitagnachmittag (6. Februar 2009) nicht mehr überraschend: Der traditionsreiche Verlag wird Anfang kommenden Jahres – 60 Jahre nach seiner Gründung durch Peter Suhrkamp – von Frankfurt am Main nach Berlin umziehen. Mit der Ankündigung beendete Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz wochenlange Spekulationen. Eine „Einladung“ des Berliner Senats liegt dem Verlag bereits seit längerem vor.

Die Verlegung des Standorts in die Hauptstadt ist nicht nur ein Schlag für die Buchmessen-Stadt Frankfurt, er ist auch eine Zäsur für den Verlag. Die sprichwörtliche „Suhrkamp-Kultur“, die untrennbar auch mit den Größen der „Frankfurter Schule“ wie Theodor W. Adorno verbunden war, hat damit ihren Abschluss gefunden. „Es ist das Ende des Suhrkamp Verlags, wie wir ihn kennen“, sagte Ex-Verlagschef Günter Berg vor wenigen Tagen.

Nach dem Tod des Verlagspatriarchen Siegfried Unseld im Jahr 2002 hatte seine öffentlichkeitsscheue Witwe – Schauspielerin und Autorin – die Macht im Verlag übernommen. Jetzt bricht Unseld-Berkéwicz, die sich als Verlegerin dem Vermächtnis ihres Mannes besonders verpflichtet sieht, mit der Verlagstradition. Unseld selbst – Frankfurter Ehrenbürger – hatte am Bekenntnis zum Standort am Main noch zum 50. Geburtstag des Verlags im Jahr 2000 keinen Zweifel gelassen.

Mit dem Umzug in die Hauptstadt setzt der Verlag auf einen Befreiungsschlag. Denn seine Rolle als unverzichtbare intellektuelle Säule der Republik hat Suhrkamp schon seit längerem verloren – genauso wie der Rang Frankfurts als intellektuelles Zentrum verblasst ist. Heute sei „eben das Labor in Berlin“ – wie es einst in den 1960er Jahren Frankfurt gewesen sei, sagte Unseld-Berkéwicz dem Fernsehsender 3sat. Berlin knüpfe dort wieder an, wo es nach dem Krieg zum Aufhören gezwungen wurde.

Die Aura der Hauptstadt soll Suhrkamp also wieder zum alten Glanz verhelfen. Wirtschaftlich gesehen stagniert Suhrkamp mit einem geschätzten Umsatz von 46 Millionen Euro (2007) seit längerem. Das Branchenblatt „Buchreport“ listete das Haus in seinem Ranking der 100 größten Verlagshäuser gerade mal auf Platz 40. Spekulationen über rote Zahlen hat der Verlag, der dank seiner Klassiker wie Bertolt Brecht und Hermann Hesse vor allem von der Vergangenheit zehrt, immer wieder zurückgewiesen.

Seit dem Antritt von Unseld-Berkéwicz hat der Verlag auch einige Zugpferde verloren wie Martin Walser oder auch Daniel Kehlmann, der bei Rowohlt zum Bestseller-Autoren wurde. Auf der anderen Seite gab es auch Erfolge wie zuletzt mit Uwe Tellkamps Bestseller „Der Turm“. Defizite gibt es bei Suhrkamp auch weniger bei der zeitgenössischen deutschen Literatur als bei internationalen Autoren vor allem aus dem angelsächsischen Bereich.

Die Gewerkschaft ver.di vermutet als einen Grund für den Umzug auch wirtschaftliche Motive. Da etwa 80 Prozent der Mitarbeiter in Frankfurt bleiben wollen, bietet die Umsiedlung die Chance für eine „Verschlankung“. Unseld-Berkéwicz sagte am Freitag (6. Februar 2009), dass alle Beschäftigten nach Berlin mitkommen könnten. An der Spree hat der Verlag 2006 eine Dependance gegründet. Statthalter in Berlin ist Thomas Sparr, der engste Vertraute der Verlegerin. Nach turbulenten personellen Veränderungen an der Verlagsspitze hat Unseld-Berkéwicz ihn im vergangenen Jahr zum Geschäftsführer gemacht.

Mit der Umzugs-Entscheidung zog Suhrkamp nach eigenen Angaben zugleich einen Schlussstrich unter die juristischen Fehden zwischen den Verlags-Gesellschaftern, die in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen sorgten. Die Unseld-Familienstiftung unter Vorsitz von Verlegerin Unseld-Berkéwicz sowie die Winterthurer Medienholding AG hätten ihre vor dem Landgericht Frankfurt anhängigen Prozesse durch einen Vergleich beendet, teilte der Verlag mit. Diese Minderheitsanteile hält der Hamburger Unternehmer Hans Barlach. Er hat sich zuvor ebenfalls für einen Umzug nach Berlin ausgesprochen.

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