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Streifzüge durch Paris und 68er Revolte

Presseschau vom 29. Januar 2008

© Die Berliner Literaturkritik, 29.01.08

 

BERLIN (BLK) – In einer „vorzüglichen Übersetzung“ liegt Jacques Rédas „Die Ruinen von Paris“ vor, schreibt die „FAZ“. Zwei neue Bücher zur Studentenrevolte und dem Deutschen Herbst bespricht die „SZ“. „Un roman sentimental“ von Alain Robbe-Grillet rezensiert die „NZZ“. Außerdem in der Presseschau: Gisela B. Laux, Eckhard Henscheid und das Hörbuch „Ring des Nibelungen“.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Jacques Rédas „Die Ruinen von Paris“ dürfe in keiner Sammlung neuerer französischer Literatur fehlen, meint die „FAZ“. Der 1977 erschienene Zyklus von Prosagedichten liege jetzt in einer „vorzüglichen Übersetzung“ und zweisprachigen Ausgabe vor. Der Band sei aus Rédas Streifzügen durch Paris und die französische Provinz hervorgegangen. Die surrealistische Suche nach dem Wunderbaren und Merkwürdigen würde bei Réda abgelöst durch eine Praktik und Poetik des Herumstreifens. Ein faszinierendes Buch sei zu entdecken, resümiert der Rezensent.

„Neue Zürcher Zeitung“

Als ein „Sammelsurium abstrus perverser Szenarien“ bezeichnet die „NZZ“ den neuen Roman des Franzosen Alain Robbe-Grillet. „Un roman sentimental“ sei natürlich kein Pornoroman, sondern eine Folge von eigenwillig verknüpften, nouveau-romanesk unterkühlten Hardcore-Miniaturen, meint der Rezensent. Was genau Robbe-Grillet mit diesem ‚Erziehungsroman’ bezwecke, sei unklar. Der Roman sei kunst- und literaturgeschichtlich hochgradig vernetzt, gehe aber doch empfindlich eindeutig zur Sache, kritisiert der Rezensent.

„Süddeutsche Zeitung“

Zwei Bücher zur 68er Revolte und dem Deutschen Herbst bespricht die „SZ“ in einer Rezension. Zum einen den von Daniel Cohn-Bendit und Rüdiger Dammann herausgegebenen Band „1968. Die Revolte“. Zum anderen ein dokumentiertes Gespräch mit Ex-RAF Mitglied Karl-Heinz Dellwo, „Das Projektil sind wir“. Im erstgenannten Buch fallen die Wiederholungen der Themen auf, kritisiert der Rezensent. Diese seien: Die Kommune I, der Schah-Besuch und der Vietnamkongress. Der Lesebuchcharakter des Werkes und das Fehlen von Quellenangaben verhindere die Überprüfbarkeit der Fakten. Was „1968“ fehle, komme bei „Das Projektil sind wir“ deutlich zum Tragen: eine strenge editorische Hand, meint der Rezensent. Dellwo gelinge es, fokussiert auf zentrale Fragen zu seinem persönlichen Werdegang bei der RAF einzugehen. Er fange im Unterschied zu professionellen Zeitzeugen sowohl rationale Begründungen als auch emotionale Motivation ein, lobt der Rezensent. Seine Geschichte verdeutliche, dass es keineswegs bloß jenes diffuse ‚Dagegen’ war, welches Cohn-Bendit und Dammann in ihrem Buch benennen.

Eine Studie zum Thema Kriegsverrat in der NS-Militärjustiz haben Wolfram Wette und Detlef Vogel herausgegeben, informiert die „SZ“. Die Autoren würden darin einen Überblick über Todesurteile wegen Kriegsverrats in der NS-Zeit geben. Außerdem skizzieren sie den Kriegsverrat als ein folgenschweres Politikum vor und nach 1945, meint der Rezensent. Den Autoren komme der Verdienst zu, in dieser „sorgfältigen Edition“ die terroristische Praxis der NS-Militärjustiz offen zu legen. Dies werde zu einem rechtspolitischen Lernprozess beitragen, behauptet der Rezensent.

Gisela B. Laux’ „Kulisse Deutschland. Teil I.“ ist die gedruckte Version eines von der Autorin von 2003 bis 2005 geführten Weblogs. Das Buch versammle „wütende Attacken, verzweifelte Aufschreie und ungläubige Resignation“. Die Autorin wolle anderen, die wie sie jäh zur Hartz-IV-Empfängerin wurden, Mut machen und zur Aktivität aufrufen, schreibt die „SZ“. Im Buch sei vieles nicht geordnet, schier fassungslos runtergetippt und manches heillos übertrieben, kritisiert der Rezensent. Laux gehe es nicht um Scheinarchitektur, sondern um die nackte Realität. Sie hat ihr „wütendes Tagebuch“, wie es die „SZ“ benennt, mit einem aktuellen Nachwort versehen.

In einer Kurzrezension lobt die „SZ“ den Fotoband „Innenwelt“ von Beatrice Minda. Der Band versammle Fotos von Wohnungen aus Rumänien und rumänischer Exilanten in Deutschland und Frankreich. Das alles sei ästhetisch inszeniert, schreibt die Rezensentin. Minda habe das Behaustsein im Unbehausten mit großer Offenheit und Hingabe in Szene gesetzt. Die Bilder gewähren einen ergreifenden Einblick ins Innenleben der Bewohner, obwohl sie nicht zu sehen seien. Der rumänischstämmige Schriftsteller Richard Wagner habe den Band mit einem Nachwort versehen, informiert die „SZ“.

Wie die „SZ“ berichtet, liegt nun der vollständige Briefwechsel der Gebrüder Grimm mit ihren Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“ vor. Die Korrespondenz belege minutiös, wie das „Riesenwerk“ überhaupt konzipiert, vorbereitet und schließlich aus der Taufe gehoben wurde, meint die „SZ“. Schon von den ersten Briefen an werde die wichtige Rolle der beiden Verleger Karl Reimer und Salomon Hirzel deutlich. Anhand der 700 kritisch editierten und vorbildlich kommentierten Briefe begreife man jetzt erstmals den immensen logistischen Aufwand, den das Werk mit sich brachte. Die Korrespondenz der Auseinandersetzung über die Gestaltung des ersten Bandes bilde einen kleinen Höhepunkt, schreibt die „SZ“.

Als „gesichts- und geschichtslos“ bezeichnet die „SZ“ den Infantilroman von Eckhard Henscheid. Er treibe darin weiter, was er so meisterlich beherrsche: die gespielte Einfalt, meint der Rezensent. So wie die Handlung sich nicht entfalten könne, würden sich lähmende Adverbienketten um die Tätigkeitswörter des Romans winden. Ein betulich-altmodisches Vokabular werde mit deutschen Mode und Reizwörtern „schamlos“ vermischt. Das Buch sei so lustig und so öde wie ein heruntergerissener 126-seitiger Bildzeitungsartikel, urteilt der Rezensent.

Der Schauspieler und derzeitige Regisseur vom„Ring des Nibelungen“ an der Wiener Staatsoper, Sven-Eric Bechtolf, liest nun den Opern-Vierteiler Richard Wagners samt Regieanweisungen. Allein der üppige Text verlange einen Sprachartisten, schreibt die „SZ“. Umso bemerkenswerter sei es, dass Bechtolf geradezu leicht lese. Er lasse sich nicht vom Pathos hinreißen und strukturiere die verwickelten Sätze klar und deutlich. Er markiere die fabulösen Figuren mit einem Fundus an Klang- und Stimmfarben, was wirkungsvoll und amüsant sei. Nie drohe der Vortrag pathetisch-lächerlich zu werden, wie man fürchten könne, lobt die „SZ“. (wag/wip)

Literaturangaben:
COHN-BENDIT, DANIEL/ DAMMANN, RÜDIGER: 1968. Die Revolte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 256 S., 14,90 €.
DELLWO, KARL-HEINZ: Das Projektil sind wir. Der Aufbruch einer Generation, die RAF und die Kritik der Waffen. Gespräche mit Tina Petersen und Christoph Twickel. Edition Nautilus, Hamburg 2007. 224 S., 14,90 €.
GRIMM, JACOB / GRIMM, WILHELM: Briefwechsel mit den Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“ Karl Reimer und Salomon Hirzel. Herausgegeben von Alan Kirkness unter Mitarbeit von Simon Gilmour. Kritische Ausgabe in Einzelbänden, Bd. 5. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2007.768 S., 69 €.
HENSCHEID, ECKHARD: Auweia. Infantilroman. Verlag Antje Kunstmann, München 2007. 126 S., 14,90 €.
LAUX, B. GISELA: Kulisse Deutschland. Teil I. Books on demand, Norderstedt 2007. 173 S., 12,80 €.
MINDA, BEATRICE: Innenwelt. Fotografien aus Rumänien und dem Exil. Hatje Cantz, Ostfildern 2007, 160 S., 60 farbige Abbildungen, 39,80 €.
RÉDA, JACQUES: Die Ruinen von Paris. Les Ruines de Paris. Aus dem Französischen von der Gruppe „Transports“. Herausgegeben von Wolfram Nitsch. Verlag Karl Stutz, Passau 2007. 224 S., 22 €.
ROBBE-GRILLET, ALAIN: Un roman sentimental. Roman. Editions Fayard, Paris 2007. 256 S., 19 €.
WAGNER, RICHARD: Der Ring des Nibelungen. Gelesen von Sven-Eric Bechtolf. col legno, Salzburg 2007. 9 CDs + 1 MP3, 6 h, 30 Min., 39 €.
WETTE, WOLFGANG / VOGEL, DETLEF(Hrsg.): Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat. Aufbau Verlag, Berlin 2007. 507 S., 24, 95 €.

Presseschau vom 28. Januar 2008

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