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Grenzerfahrungen: Jeff Talarigos neuer Roman vom „Ginsengjäger“

Talarigo hat seine Erzählung zu einer allgemeingültigen Parabel verdichtet

© Die Berliner Literaturkritik, 24.06.08

 

Von Elisabeth Werthern

Ginseng ist eine heilbringende Wurzel, die vor allem in Korea, dem nordöstlichen China und Sibirien wächst. Sie zu finden, sorgsam auszugraben und zu säubern ist Aufgabe der Ginsengjäger. Einen von ihnen hat Jeff Talarigo in den Mittelpunkt seines neuen Romans gestellt. Direkt am gewaltigen Fluss Tumen, der die natürliche Grenze zwischen China und Nordkorea bildet, lebt „Der Ginsengjäger“ allein auf seinem abgelegenen Hof. Davor, was in der Welt geschieht, vor allem jenseits des Flusses im Land des „Großen Führers“ Kim Il-sung, kann er schon bald nicht mehr die Augen verschließen.

Eigentlich ist der ältere Mann mit seinem bescheidenen Leben zufrieden. Wie schon sein Vater und Großvater streift er umher, um den kostbaren Ginseng aufzuspüren und zu bergen. Seine Arbeit ist rituell, denn er wahrt den Respekt vor der Natur wie schon seine Ahnen vor ihm. Nur einmal im Monat verlässt er seine Hütte im Wald, um in der nächstgelegenen Stadt Yanji einzukaufen und das dortige Bordell zu besuchen. Als er sich in eine junge Prostituierte verliebt, die aus Nordkorea hierher geflohen ist, und als in seiner Hütte immer wieder halb verhungerte koreanische Flüchtlinge auftauchen, bekommt seine festgefügte Welt Risse.

Talarigo nimmt die Position seiner Hauptfigur ein, wechselt die Perspektive aber auch und richtet den Blick auf die grausamen Erlebnisse der Prostituierten, die sie nach China geführt haben. In kargen Andeutungen veranschaulicht er, wie sich der Ginsengjäger immer mehr genötigt sieht, Entscheidungen zu treffen: „Wie“, so fragt er sich, „konnte es so weit kommen, dass Menschen wie Vieh gekauft und verkauft werden? Es scheint, als wären Leichen im Fluss und kahlgeschlagene Berge heutzutage zahlreicher als hundertjährige Ginsengwurzeln.“

Talarigo hat seine Erzählung zu einer allgemeingültigen Parabel verdichtet. Er erzählt in unprätentiöser Sprache von Grenzerfahrungen, die einen Menschen verändern. Wie schon in seinem erfolgreichen Roman „Die Perlentaucherin“ schöpft der amerikanische Autor, der zwölf Jahre in Japan lebte, aus dem unerschöpflichen Fundus fernöstlicher Geschichten. Jenes waldige Gebiet am Grenzfluss als Schauplatz eines Romans zu wählen, weitet die Perspektive der westlichen Leser und erlaubt Blicke auf einen völlig unbekannten Teil der Erde.

Literaturangaben:
TALARIGO, JEFF: Der Ginsengjäger. Roman. Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein. Luchterhand Verlag, München 2008. Taschenbuch. 187 S., 8 €.

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