BERLIN (BLK) – Die „Süddeutsche Zeitung“ bespricht ein Pro- und ein Contra-Werk zu den Auswirkungen der Gentechnik. Des Weiteren stellt die „SZ“ den von Holger Hof zusammengestellten Bildband über Gottfried Benn vor. Außerdem in der Presseschau: ein Comic über Epilepsie und poetologische Essays von Harald Hartung.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Die „FAZ“ bespricht Elmar Zinkes Romandebüt „Mama im Himmel“ in einer Kurzrezension. Der Autor spiele mit der Spannung eines Krimis und der Grenzenlosigkeit von Science-Fiction. Er schildere eine verrückte Geschichte über Umbrüche, hier nach dem Tod der Mutter des Protagonisten. Trotz überschüssigen Adjektiven und einigen missglückten Bildern, gelinge Zinke eine leise, schwebende Spannung, die bis zum letzten Wort hält.
Fünfzehn poetologische Essays zur deutschsprachigen Lyrik von Goethe bis Gernhardt habe der Lyriker, Kritiker und Essayist Harald Hartung in „Ein Unterton von Glück“ versammelt, berichtet Heinrich Detering für die „FAZ“. In leichthändig geschriebenen Studien von unaufdringlicher Belesenheit gebe der Dichter Einblick in seine eigene lyrische Werkstatt. Die Meisterschaft sei für Hartung das Ergebnis eines Handwerks; so stimme er mit Celan überein, dass die Lyrik als eine Sache der Hände zu verstehen sei. Der Rezensent lobt die nüchterne, sachliche und ebendarum so sensible Wahrnehmung Hartungs. Er rücke Gedichte von Goethe bis Celan in neue Perspektiven, dass er so selbst Kennern überraschende Einblicke eröffnet.
Beate Tröger rezensiert André Winters Familienroman „Die Hansens“ für die „FAZ“. Der Autor lasse seine Handlungen auf mehreren Bahnen kreisen und schlage Bögen über einen Zeitraum von hundert Jahren, wenn er in gelungener Darstellung seinen Protagonisten nach seiner eigenen Geschichte suchen lässt. Somit unterscheide sich Winter in seinem langsamen, weit ausgreifenden Erzählduktus angenehm von zahlreichen linear vorgehenden Dreigenerationen-Familienromanen, bemerkt die Rezensentin. Seine sehr genaue Sprache, seine Behandlung mit zeit- und sozialgeschichtlichen Strömungen, die besondere Begabung für das angemessene Synthetisieren von persönlichem und kollektivem Verhalten sowie sein Umgang mit der Chronologie zeugen von Finesse, lobt die „FAZ“.
„Neue Zürcher Zeitung“
Russell Hobans Roman „Amaryllis Tag und Traum“ sei ein Buch in dem Reales und Irreales „weidlich durcheinander gequirlt“ sei, schreibt Angela Schader für die „NZZ“. Ein Maler und Kunstdozent verliebe sich im Traum in die junge Amaryllis, der er daraufhin auch in der Wirklichkeit begegne. Amaryllis habe die Möglichkeit andere Menschen in ihre Träume zu ziehen, sie selbst hänge jedoch in einem sinistren Traumszenario fest. Die Rezensentin ist der Meinung, dass Hobans Figuren der raffinierten Anlage seines Romans leide nicht wirklich gerecht werden.
„Süddeutsche Zeitung“
Der Bildband „Benn. Sein Leben in Bildern und Texten“, der von Holger Hof zusammengestellt wurde, bietet laut dem Rezensenten Joachim Dyck wenig neues Material. In der „SZ“ schreibt er, dass das Enttäuschende an diesem aufwendig gedruckten Band sei, dass man trotz vieler Fotos auf Umgebung und Lebenshintergrund verzichten müsse. Er bemängelt die Personenleere auf den Fotos, merke aber auch die illustrative neue Idee der verwendeten Tagebuchauszüge, die leider selten zum Einsatz kamen. Insgesamt sei dieser Bildband lediglich eine „Zusammenstellung“, es fehle die Lust, die Forschungsarbeit aufzunehmen, Neues auszugraben und Hinweisen nachzugehen, denn Benns Leben sei widersprüchlicher gewesen, als eine Zusammenstellung ahnen lässt, meint der Rezensent.
In erschütternder Weise berichte der französische Comic-Zeichner David B. in „Die heilige Krankheit“ von der Epilepsie seines älteren Bruders Jean-Christophe, schreibt Christoph Haas für die „SZ“. Der Autor sei ein sorgfältiger Protokollant des Intimen, der aber darüber hinaus die größeren Zusammenhänge nicht vergesse. So schildere er neben der verzweifelten Suche nach alternativen Heilmethoden auch die Gewalt der Vergangenheit, indem er zum Beispiel grausige Kriegserfahrungen seiner Vorfahren mit einbindet. Seine nüchternen deskriptiven Blocktexte stehen im starken Kontrast zu den Zeichnungen. Man finde hier eine Mischung aus Phantastischem und Realistischem, die einerseits der kindlichen Wahrnehmung entspräche. Andererseits setzt der Autor, indem er die Mimesis ignoriert, satirische Akzente, schreibt die „SZ“.
Alexander Kissler stellt zwei neue Bücher über Gentechnik in Gestalt einer Sammelrezension in der „SZ“ vor. Zum einen „Gott spielen“ des Aachener Journalisten Stefan Rehder und zum anderen „Perfektionierung des Menschen“ von dem Düsseldorfer außerplanmäßigen Professor für Philosophie Bernward Gesang. Laut Rezensent ist Rehder sehr besorgt und bestens informiert, er sei der Meinung, dass Künstlichkeit und Technik keine Wege zum Glück seien und finde dass man Gentechnikern und Lebenswissenschaftlern „auf die Finger sehen“ müsse. Er habe trotz mitunter unangenehm kulturkämpferischen Tönen das lesenswertere Buch verfasst, urteilt der Rezensent. Bernward Gesang jedoch rede freudig von einer „Welt verbesserter Menschen“ und stelle die Lebensqualität kategorial über das Leben. Die „SZ“ ist der Meinung, dass sein Werk „frösteln lasse“, insbesondere aufgrund der Schlichtheit, mit der mancherorts professionell gedacht werde. (car/wip)
Literaturangaben:
B., DAVID: Die heilige Krankheit. Band 1: Geister. Band 2: Schatten. Aus dem Französischen von Kai Wilksen. Edition Moderne, Zürich 2006 und 2007. 176 und 208 S., je 22 €.
GESANG, BERNWARD: Perfektionierung des Menschen. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 2007. 176 S., 19,95 €.
HARTUNG, HARALD: Ein Unterton von Glück. Über Dichter und Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 160 S., 19,90 €.
HOBAN, RUSSELL: Amaryllis Tag und Traum. Roman. Aus dem Englischen von Christel Dormagen. Heinrich und Hahn, Frankfurt am Main 2007. 216 S., 19,90 €.
HOF, HOLGER (zusammengestellt von): Benn. Sein Leben in Bildern und Texten. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2007. 279 S., bis zum 31. März 2008 zum günstigen Einführungspreis von 49 €. Ab 1. April 2008 59 €.
REHDER, STEFAN: Gott spielen. Im Supermarkt der Gentechnik. Pattloch Verlag, München 2007. 240 S., 16,90 €.
WINTER, ANDRÉ: Die Hansens. Roman. Bilger Verlag, Zürich 2007. 312 S., 23 €.
ZINKE, ELMAR: Mama im Himmel. Roman. ErDa-Verlag, Schwerin 2008. 286 S., 19,95 €.
Presseschau vom 23. Januar 2008
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