BERLIN (BLK) – Am 2. Juni 2005 ist Marcel Reich-Ranicki 85 Jahre alt geworden. Im polnischen Wloclawek geboren, wuchs er in Berlin auf. Mit 18 Jahren wurde er von den Nazis ins Warschauer Ghetto deportiert. In seiner Autobiographie „Mein Leben“, beschreibt Reich-Ranicki bewegend, wie ihm und seiner Frau Teofila mit viel Glück 1943 die Flucht aus dem Ghetto gelang.
Nach dem Krieg schrieb er zunächst als freier Schriftsteller für verschiedene Zeitschriften bevor er 1960 ständiger Kritiker bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ wurde. 1973 wechselte er zur Literaturredaktion der FAZ.
Vier Kritiker
Der heute populärste und gleichzeitig umstrittenste Literaturkritiker Deutschlands wurde vor allem bekannt durch die Sendung „das Literarische Quartett“, die von 1988 bis 2001 im ZDF ausgestrahlt wurde. In 75 Minuten wurden von vier Kritikern fünf Bücher ohne Spickzettel und weitgehend auch ohne Zitate besprochen. Die zum Teil heftigen Diskussionen vor der Kamera unterhielten das literaturinteressierte Fernsehpublikum blendend. Gleichzeitig avancierte die Literatursendung zu einer der „einflussreichsten Institutionen“ (literaturkritik.de, 5.12.03) des literarischen Lebens.
2001 kam es jedoch zum Bruch zwischen Marcel Reich-Ranicki und Kritikerkollegin Sigrid Löffler. Anlass des Streits war der Roman des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami „Gefährliche Geliebte“. Sigrid Löffler entschied sich, das Literarische Quartett zu verlassen. Kurze Zeit später beschloss man, die Sendung abzusetzen. Der „Kritikerpapst“ Reich-Ranicki blieb dem ZDF jedoch noch einige Zeit mit seiner Sendung „Marcel Reich-Ranicki Solo. Polemische Anmerkungen“ erhalten.
Polarisieren, Polemisieren
Marcel Reich-Ranicki liebt es, als Kritiker zu polarisieren, gern polemisiert er auch mal. Der Literaturchef der „FAZ“, Hubert Spiegel, hat zum Anlass des 85. Geburtstags Menschen zu Wort kommen lassen, die Marcel Reich-Ranicki näher kennen: Eva Demski, Ulla Hahn, Günter Grass und Peter Rühmkorf, Gerhard Schröder und Siegfried Lenz, Stefan Aust und Frank Schirrmacher erinnern sich in dem Band „Begegnungen mit Marcel Reich-Ranicki“ an „berührende, verblüffende und unerhörte Begebenheiten, die sie mit MRR erlebt haben. So ist aus fast sechzig Begegnungen mit Marcel Reich-Ranicki das facettenreiche Porträt eines facettenreichen Mannes entstanden“, kündigt der Insel-Verlag dieses besondere Geburtstagsbuch an. Vielleicht lässt es noch einmal einen ganz neuen, vielfältigeren Blick auf die Persönlichkeit des Marcel Reich-Ranicki zu. (mar/lüd)
Literaturangaben:
REICH-RANICKI, MARCEL: Mein Leben. Deutsche Verlags-Anstalt. München 1999. Gebundene Ausgabe. 565 S. 25,- €.
SPIEGEL, HUBERT (Hg): Begegnungen mit Marcel Reich-Ranicki. Insel-Verlag. Frankfurt a. M. 2005. Gebundene Ausgabe. 200 S. 7,- €.