Eine Einführung in das Werk und die Person William Shakespeares ist meistens ein zweischneidiges Schwert – für den Studenten eine angenehme, da äußerst einfache, für den Autor hingegen eine dementsprechend schwierige Angelegenheit. Wie soll aus dem Sammelsurium der Lehrmeinungen, der vielfältigen Sekundärliteratur, und auch der verwirrenden Fülle der Originaltexte ein roter Faden herausgearbeitet werden? Dem Anglistik lehrenden Thomas Kullmann ist dies in seinem neu erschienenen Buch „William Shakespeare – Eine Einführung“ gelungen.
Einfach und anspruchsvoll
Wie einst Shakespeare sein Publikum weder über- noch unterschätzte, so fällt Kullmanns Einführung in das Phänomen Shakespeare aus: einfach und zugleich anspruchsvoll. Altbewährtes Wissen und neuere Forschungsergebnisse stehen bei ihm nebeneinander, ohne sich auszuschließen oder in die Quere zu kommen.
Das Buch geht der Frage nach, wie sich die Beliebtheit sowie die andauernde kulturelle und ökonomische Bedeutung Shakespeares erklären lassen. Eine zutreffende Erklärung ist sicherlich diese zu Beginn von Thomas Kullmann angegebene: „In einer Zeit, in der vormalige religiöse Gewissheiten in zunehmendem Maße schwanden, übernahm die Beschäftigung mit Kunstwerken vielfach den Platz, den zuvor das Studium der Bibel und der Gottesdienst eingenommen hatten. Shakespeares Dramen wurden geradezu zu einer säkularen heiligen Schrift, deren Bedeutung für die bürgerliche Kultur kaum überschätzt werden kann.“
Wie hieran abzulesen ist, greift Kullmann in seiner Shakespeare-Einführung auf kulturwissenschaftliche Erklärungsmuster zurück, um die aktuelle Lage des Werkes eines der berühmtesten Dichter überhaupt auszuloten. Dies macht das Buch angenehm lesbar, so dass es sich mit Sicherheit einen festen Platz auf den Lektürelisten der Anglistik-Seminare sichern dürfte. Für Studenten sehr hilfreich: Der Autor liefert am Ende jedes Unterkapitels ein paar stichhaltige Literaturangaben, und die anschaulich herausgearbeiteten Zitate der Originaltextstellen sind durchweg auf Englisch. Am Ende findet sich noch ein hilfreiches Personen-, Werk- und Sachregister sowie ein Verzeichnis der Werke Shakespeares.
Mensch und Welt
Das Hauptinteresse liegt bei Kullmann nicht auf reiner Dramenanalyse oder einer Diskussion über den Lyriker Shakespeare, wie es in vielen anderen Standardwerken zu diesem Klassiker der Weltliteratur der Fall ist. Die vier Hauptkomplexe dieses Buches sind vielmehr Themen wie die literarisch-kulturellen Diskurse der Shakespeare-Zeit, Form und Sprache sowie Konstruktionen der Welt und des Menschen bei Shakespeare. Hiermit folgt er der neueren Entwicklung in der Shakespeare-Forschung. Im letzten Abschnitt der Einführung wird dessen Karriere als Dramatiker besprochen.
„William Shakespeare – Eine Einführung“ ist in der Reihe Grundlagen der Anglistik und Amerikanistik des Erich Schmidt Verlages erschienen und wendet sich dementsprechend an alle Studierenden dieser Fachrichtung. Doch darüber hinaus eignet sich das vorliegende Buch für all diejenigen, die sich bis jetzt noch nie durchringen konnten, sich Shakespeare und seinem Werk wissenschaftlich oder auch als interessierer Leser anzunähern, denn, wie Thomas Kullmann auch im Vorwort schreibt, soll dieses Buch „Wege zu Shakespeares Texten aufzeigen“.
Mit seinem kulturhistorischen Fokus ist das Buch aber auch aus dem Blickwinkel des modernen Europa aktuell, wurde diese Gemeinschaft doch maßgeblich geprägt von den Brüchen und Weiterentwicklungen der Renaissance, in der Shakespeare tief verwurzelt ist.
Literaturangaben:
KULLMANN, THOMAS: William Shakespeare – Eine Einführung. Grundlagen der Anglistik und Amerikanistik Band 26. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2005. 239 S. 17,80 €.