PORTO EMPEDOCLE (BLK) – In Italien bricht Andrea Camilleri seit Jahren alle Verkaufsrekorde und auch in Deutschland hat er ein begeistertes Publikum gefunden. Mit den Romanen um den Kommissar Salvo Montalbano erobert er die deutschen Leser im Sturm. Die Figur des Montalbano gilt inzwischen weltweit als Inbegriff für sizilianische Lebenskunst, einfallsreiche Kriminalistik und südländischen Charme, so der Piper Verlag.
Der Lauf der Dinge
„Wenn Andrea Camilleri seinen Lesern erzählt, ist das Ergebnis in millionenfacher Auflage in der ganzen Welt zu finden. Wenn er seinen Enkeln erzählt, ist das eine Familienangelegenheit. Wenn er einem Journalisten in langen persönlichen Gesprächen sein Leben erzählt, ist das ein exklusives Lesevergnügen.“ So gibt Camilleri dem Journalisten Saverio Lodato einen persönlichen Einblick in ein ereignisreiches Leben. Charmant, witzig und intelligent spricht Italiens Literaturstar mit Saverio Lodato erstmalig über sein Leben. Übersetzt ins Deutsche von Monika Lustig, verspreche der Band, laut Aussage des Verlags, einen italienischen Rückblick auf das letzte Jahrhundert und gebe einen ironisch-kritischen Ausblick auf das, was noch kommen möge.
Camilleri ist 1925 in Porto Empedocle geboren. Er war als Theaterregisseur und Fernsehproduzent tätig und begann erst im reifen Alter von über vierzig Jahren zu schreiben. Mit seinem ersten Buch „Der Lauf der Dinge“ scheiterte er zunächst und brauchte noch über ein Jahr und mehrere Fassungen. Eine Wette brachte den damals fast 70jährigen auf die Idee, sich an einem Kriminalroman zu versuchen, so der „Tagesspiegel“. In kurzer Zeit breitete sich dieses Werk auch ohne Werbung weit über Sizilien aus. Seitdem hat der Autor rund fünfundzwanzig Bücher geschrieben: nicht nur Kriminalgeschichten, sondern auch historische Romane, die weltweit verlegt wurden.
Die Figur des Montalbano
Der größte Erfolg ist sein „Comissario“. Wie Camilleri selbst ist auch die Figur des Komissars Montalbano Sizilianer. Er sei ein „Rächer des Unrechts im mafiösen Sumpf Siziliens, ein Kämpfer gegen Korruptes und unbestechlich“, sagte der Autor der „ARD“.
Camilleri traf mit der Figur des Montalbano die Leser direkt ins Herz. Das war Mitte der 90er. Auf den Straßen Italiens tobte der Bär - und die Mafia. Gegen die rebellierte das Volk eines Tages. Dazu führte der brutale Mord an den Staatsanwälten Falcone und Borsellino: „Falcone und Borsellino sind wahre Helden. Ich würde niemals die Mafia zur Hauptfigur meiner Romane machen, denn auch der Antiheld wird im Roman zum Helden. Und ich habe bestimmt nicht vor, irgendeinen Mafioso aufzuwerten.“ Dabei verweist Camilleri auf „Der Pate“, ein Werk, das uns den Gangster bewundern lasse. Im Gegensatz dazu erinnert der 80jährige mahnend daran: „Mafiosi sind Mörder“.
Mafia hautnah
Deshalb fällt es Camilleri auch schwer zuzugeben, dass selbst seine Familie, die sehr wohlhabend war, mit der Mafia kooperierte: „Das brave Bürgertum, meine Familie, sie bediente sich der Mafia. Über sie geschrieben hat man nie. Mein Großvater hat aber mit ihr zusammengearbeitet. Wenn er den Lohn für die Arbeiter seiner Schwefelminen ins Landesinnere bringen musste, dann schickte er das Geld auf Mulis los. Polizeischutz gab es nicht, aber viele Banditen. Also schickte er die Mulis auf den Weg, den er mit den Mafiabossen vereinbart hatte.“
Die Geister, die er rief
Die Popularität seines „Commisario“ erlebe der Autor inzwischen als Fluch, so die „NZZ“. Obwohl er Widersprüche in der Gesellschaft, die zu Mafiastrukturen führen, formuliere und scharfe Kritik an den politischen Umständen unter die Leute „schmuggelt“, plage ihn die Krimi-Gier seines Publikums, die seine historischen Romane als Geplänkel abtue.
Die Geister, die er rief... Der Autor Camilleri schuf die Figur des Montalbano und wird ihn nicht mehr los. Italien ist süchtig und verlangt nach weiteren Fällen.
(Samia Susann Trabolsi)
Literaturangaben:
LODATO, SAVERIO: Andrea Camilleri - Mein Leben. Übersetzt aus dem Italienischen von Monika Lustig. Piper Verlag, München 2005. 320 S., 19,90 €.