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Das Leben einer Diva

Jutta Jacobis Biographie über „Zarah Leander“

Von: NICOLA WESTPHAL - © Die Berliner Literaturkritik, 18.05.07

 

Es ist nichts Neues, dass sich die Filmindustrie immer und überall sehr leicht zu politischen Zwecken missbrauchen lässt. Film ist teuer, und die riesigen Summen hinter großen Produktionen müssen irgendwo herkommen – da liegt es nahe, dass die Geldgeber beim Inhalt ein bisschen mitreden. Es ist auch nicht unbekannt, dass der generalstabsmäßig organisierte NS-Propagandaapparat das Medium Film in großem Stil für die eigenen Ideen benutzte. Im Lauf der Zeit entwickelte er äußerst subtile Methoden der Einflussnahme – nicht der ideologiegetränkte NS-Reklamefilm „Hitlerjunge Quex“ war die bessere Propaganda, sondern ein scheinbar unpolitischer Film wie „Die große Liebe“, der dem kriegsmüden Publikum ganz nebenbei vermittelte, wie und zu welchem Zweck Luftschutzkeller, Familientrennung und Lebensmittelrationierung zu ertragen waren.

Zarah Leander spielte die Hauptfigur in „Die große Liebe“ und trug nicht unwesentlich dazu bei, dass dieser Film 1942 zum größten Publikumserfolg der Kriegszeit wurde. Dabei war sie eigentlich, wie so vieles in dieser Zeit, nur Ersatz. Nachdem Marlene Dietrich nach Hollywood abgewandert war, andere deutsche Schauspielerinnen wie Marika Rökk sich als ungeeignet erwiesen und Greta Garbo sich weigerte, in deutschen Filmen mitzuwirken, stand der Filmkonzern Ufa vor dem großen Problem, die Rolle der deutschen Diva neu vergeben zu müssen. Obwohl eigentlich eine Fehlbesetzung – Ausländerin, für einen Star viel zu groß und kräftig, ein für Naziohren jüdisch klingender Vorname, und dann auch noch diese tiefe Stimme – wurde es am Ende Zarah Leander. Wie das passieren konnte, beschreibt Jutta Jacobi in ihrer Biografie „Zarah Leander. Das Leben einer Diva“.

Ein Leben voller Widersprüche

Jutta Jacobi ist nicht die erste, die über Zarah Leander schreibt, und vermutlich wird sie auch nicht die letzte sein. Einer ihrer Vorgänger ist Paul Seiler, der aus Fan-Perspektive mehrere Bücher über seinen Star verfasst hat. Auch Guido Knopp hat sich Zarah Leanders im Rahmen seiner Fernseh-Reihe „Hitlers Frauen“ bereits angenommen. Was noch aussteht, sind fundierte kultur-, film- oder auch musikwissenschaftliche Untersuchungen, die Leanders Filme und Lieder als historische Quellen nutzen und die vermarktungstechnischen Mechanismen hinter der Populärkultur aufdecken. Jutta Jacobis Biografie ist irgendwo in der Mitte angesiedelt. Sie ist kein wissenschaftlicher Beitrag – zu erkennen am (manchmal ärgerlichen) Fehlen eines Anmerkungsapparats –, aber sie ist auch keine Huldigungsschrift. Für eine Biografie ist sie mit 287 Seiten ziemlich schmal, aber es gelingt ihr, Zarah Leanders Karriere zu erklären. Was kein einfaches Unterfangen ist.

Denn wie jeder Superstar lebt auch Zarah Leander von den Widersprüchen, die sie verkörpert. Einerseits besaß sie außer ihrer zweifellos faszinierenden Stimme den unbedingten Willen, berühmt zu werden, andererseits konnte sie nur unter den spezifischen Bedingungen der nationalsozialistischen Ufa zum Star werden. Einerseits wurde (und wird) sie als Sängerin und Schauspielerin hymnisch verehrt, andererseits waren ihre gesanglichen und vor allem ihre mimischen Fähigkeiten doch eher begrenzt. Einerseits war sie unzweifelhaft ein Instrument der NS-Propaganda, andererseits sind die Gerüchte über ihre angebliche Spionagetätigkeit für die Sowjetunion bis heute nicht verstummt. Diese Gegensätze herauszuarbeiten anstatt sie wegzuerklären, ist ein Verdienst von Jutta Jacobis Buch.

Die schwedische Seite der Geschichte

Ein anderes ist es, die schwedische Seite der Geschichte miteinzubeziehen. Hier betritt Jacobi tatsächlich Neuland, denn keiner der Leander-Biografen hat sich bis jetzt die Mühe gemacht, in Schweden Dokumente auszuwerten oder Zeitzeugen zu befragen. Dass die eingeschobenen Porträts der Gesprächspartner, zum Beispiel des hundertjährigen Leander-Bruders, Jonas Hedberg, im Text wie Fremdkörper wirken, fällt da kaum ins Gewicht. Als Zarah Leander im Frühling 1943 ihre Arbeit für die Ufa beendet und, nachdem ihre Berliner Villa von Bomben zerstört worden war, nach Schweden zurückkehrt, ist sie dort alles andere als willkommen. Ein amtliches Auftrittsverbot gab es im neutralen Schweden zwar nicht, aber in der öffentlichen Meinung war aus der Diva eine Unperson geworden.

Jutta Jacobi verschweigt die Diskussion über die tatsächliche Rolle Schwedens im Krieg und die Sündenbock-Funktion, die Zarah Leander darin einnahm, ebenso wenig wie den Umstand, dass die Sängerin eine „politische Analphabetin“ und zeitlebens uneinsichtig hinsichtlich ihrer Rolle in Nazideutschland war. „Ich war eine politische Idiotin“, sagte sie hilflos zu ihrer eigenen Verteidigung, „ich weiß nicht, was Politik ist, und interessiere mich nicht dafür“. Jutta Jacobis Urteil zu dieser Haltung: „Man kann ihr getrost glauben, dass sie ‚kein Nazi’ war. […] Es lässt sich aber auch nicht leugnen, dass sie in ihren Ufa-Jahren dem nationalsozialistischen Deutschland als Aushängeschild und Devisenbringerin gute Dienste geleistet hat, dass sie es freiwillig getan hat und dass sie davon profitiert hat. Politisch abstinent zu sein bedeutet, sich gewisse Fragen nicht zu stellen.“ Klare Worte.

Kurhäuser und Kaffeefahrten

Ebenso klar schildert Jacobi aber auch Zarah Leanders Bemühen um ein Comeback – ein so verzweifeltes Bemühen, dass man beinahe Mitleid hat mit der alternden Diva, der einstmals die Welt zu Füßen lag. Ende der 40er Jahre schließlich gelingt das Comeback, zunächst in Deutschland, wo das Publikum ihre Kunst bis heute offensichtlich überhaupt nicht mit der NS-Propaganda in Verbindung bringt. Später auch in Schweden, wo man ihr im Zuge der Aufarbeitung der eigenen Historie schließlich doch noch verzeiht. Zu diesem Zeitpunkt, 1949, ist Zarah Leander 42 Jahre alt, und der größere Teil ihres Berufslebens liegt noch vor ihr. Zwar erlebt sie noch ab und zu Momente höchsten Divenglücks – etwa 1958 in Ernst Kreuders Operette „Madame Scandaleuse“ in Wien – aber eine solche Verehrung wie früher wird ihr nicht mehr zuteil. Am Ende tritt sie in Kurhäusern und sogar auf Kaffeefahrten auf, ein hoher Preis für die Sucht nach Aufmerksamkeit.

Was bleibt, ist das Bild einer Frau, die in Nazideutschland zunächst nur Ersatz war, dann gezielt als glamouröse Diva aufgebaut wurde und als solche vom Publikum verehrt wurde – obwohl (oder vielleicht gerade weil) sie damit „quer zum Frauenbild der Nazis“ stand, wie Jacobi betont. Die geliebt werden wollte und sich benutzen ließ, gleichzeitig aber auch faktisch eine emanzipierte Frau war, „ein Leben lang berufstätig, finanziell unabhängig und sexuell selbstbestimmt“. Diese Facetten bringt Jutta Jacobi in ihrem Buch zum Vorschein – kenntnisreich, unterhaltsam und unaufgeregt.

Literaturangaben:
JACOBI, JUTTA: Zarah Leander. Das Leben einer Diva. Hoffmann und Campe, Hamburg 2006. 287 S., 22 €.

Verlag:

Nicola Westphal arbeitet als freie Journalistin in Hamburg für dieses Literatur-Magazin


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