Der von Marcel Machill und Markus Beiler herausgegebene Band „Die Macht der Suchmaschinen / The Power of Search Engines“ versammelt deutsch- und englischsprachige Beiträge zu Theorie und Praxis der Suchmaschine – einem seit einigen Jahren virulenten Thema, das jeden ansprechen dürfte, der sich um Datenschutz, Datensicherheit und die neuesten Entwicklungen im Bereich Wissensorganisation und Informationsbeschaffung Gedanken macht. Unter den Autoren sind Journalisten, Medienwissenschaftler, Ökonomen, Informatiker – kurzum: ein interdisziplinäres Unterfangen. Dabei richtet man sich an Wissenschaftler, aber auch an alle, deren Alltag von Suchmaschinen gestreift wird. Eine zentrale These: Maschinen haben Macht. Und damit stoßen die Herausgeber auf ein Thema, das als neu empfunden, aufregend und irgendwie unheimlich ist. Die Aufsätze decken reichlich Ansatzpunkte ab, weswegen im Folgenden eine Konzentration auf das Machtproblem und den Scheincharakter des Konzepts „Suchmaschine“ angestrebt wird, wie die Lektüre des Bandes nahe legt.
So ähnlich müssen sich die ersten Eisenbahnen auch angefühlt haben. Nun also Suchmaschinen: Omnipotente Algorithmen, versteckt in großen Kisten, die zur Klärung tief greifender Fragen dienen. Dank der Suchmaschinen dauert es weniger als eine Minute bis herausgefunden ist, dass es tatsächlich Kakteenmarmelade gibt. Flapsifrösche gibt es dagegen überhaupt nicht. Und dem können wir trauen? Eben nicht! So sehr man es auch wünscht: die im World Wide Web abgelegten Informationen durchlaufen kaum ideale Prozeduren, die Qualitätssicherung, Validierung und Belastbarkeit versprechen können. Das allein ist aber gar nicht das größte Problem, denn es gibt selbstredend Portale, die Zugriff auf Informationen ermöglichen, deren Relevanz von Menschen überprüft wurde.
Gefährlich ist der Umstand, dass Suchmaschinen oftmals als alleiniger Ausgangspunkt für eine Internetrecherche dienen. Hier wäre mal ein Blick auf das eigene Verhalten zu werfen! Wirklich gefährlich wird es dann, wenn der Nutzer sich überhaupt nicht klar darüber ist, was er da eigentlich benutzt. Denn obwohl, wie sich noch zeigen wird, suchen nicht genau das ist, was Suchmaschinen machen, muss man ihnen doch attestieren, dass sie über Wissen oder zumindest Informationen verfügen können. Bereits im September 2007 veröffentlichten fünf Wissenschaftler unter der Leitung des Informatiker-Urgesteins Hermann Maurer ein giftiges Positionspapier über „Gefahren und Möglichkeiten“ großer Suchmaschinen mit der lapidaren Beifügung „particulary google“. Darin kritisieren sie, dass wir die größte Ansammlung von Informationen in privater Hand seit eh und je erleben. Ferner sei es nicht akzeptabel, dass diese private Hand profitorientiert sei und so einen ganz spezifischen Zugang zur Realität darstellen könne. Diese verzerrte Realität, resultierend aus einer ominösen Verbindung von google und der freien online-Enzyklopädie wikipedia, die von vielen Nutzern für ein richtiges Lexikon im klassischen Sinn gehalten wird, werde noch verstärkt, wenn das Kopieren von Texten aus dem Internet (Google-Copy-Paste-Syndrom) weiter Verbreitung finde.
Ganz so radikal geht es in dem hier besprochenen Band nicht zur Sache. Aber die beiden Sachen zusammen zu lesen, ist sehr interessant. Denn die bekannteste, größte und profitabelste Suchmaschine der Welt ist google ohne jeden Zweifel. Der Duden kennt inzwischen das Verb dazu, weswegen hierzu keine Erläuterungen mehr nötig sind. Aber lässt sich das, was google macht, überhaupt als Suchen bezeichnen? Nicht immer! Entscheidend ist die Aggregation von Inhalten. Und für einige Anbieter gilt die Devise: Wenn Dein Webauftritt gefragt ist, dann läuft auch das Werbegeschäft.
Im Internet kann man daher auf den ersten Blick Arschgeigen bestellen, Gehirn kaufen oder alles zum Thema „Geld kostenlos“ finden. Derartiger Unfug richtet wahrscheinlich keinen Schaden an, zeigt aber, dass der Umgang mit Suchmaschinen stets hinterfragt werden muss, um nicht aus bloßer Unbedarftheit die Informationsfreiheit einzubüßen. Um auf den Punkt zu kommen: Suchmaschinen suchen nicht. Sie helfen nur dem suchenden Nutzer, näher an die gewünschten Informationen zu kommen. Im Zweifelsfall helfen sie auch herauszufinden, dass das Beschaffen bestimmter Informationen vorbereitet sein will durch die Installation einer Anti-Viren-Software, eines Pop-Up Blockers und einer Firewall.
Suchmaschinen helfen auch dabei, herauszufinden, dass die Suche nach etwas Kostenlosem mitunter mächtig kostenintensiv werden kann. Das zeigt sich häufig auf den Linkfarms. Das sind Seiten, die kaum Inhalt aufweisen, dafür aber mit Werbung vollgepackt sind. Eine solche Seite schafft es dank einer versierten Suchmaschinenoptimierung aber in der Liste der Suchergebnisse nach ganz weit oben. Es gibt zu fast jedem Thema solche werbefinanzierten Nonsens-Seiten. Doch während man ihre papiernen Vorfahren mit einem kleinen Aufkleber am Briefkasten fern halten konnte, springen sie einen im Netz regelrecht an. Das ist es, was die Rede von der Macht der Suchmaschinen erst sinnvoll macht. Wie Theo Röhle in seinem Beitrag zeigen kann, hat man es dabei aber keineswegs mit absoluter Macht zu tun. Es müssen schon bestimmte Vorbedingungen erfüllt sein, damit die Macht der Suchmaschinen wirksam wird, was wiederum zeigt: fundamentale Differenzen zum analogen Medium bestehen nicht.
Da bietet sich der Blick auf den Nutzer an. Mit ihm – vertreten durch clicks – steht und fällt die Suchmaschine. Und der, so Nathalie Kink und Thomas Hess, hat „lediglich geringe Kenntnisse über Suchmaschinen und schöpf[t] die vielfältigen Suchfunktionalitäten bei Weitem nicht aus.“ Sollte sich das ändern – und das wird es – dann stellen Suchmaschinen für viele Service-Angebote im Netz eine Konkurrenz dar.
Der Sammelband „Die Macht der Suchmaschinen“ überzeugt durch seine Themenvielfalt, die hier nur angerissen werden konnte. Gleichzeitig fallen erfrischend kurze Aufsätze ins Auge, die klipp und klar ihre Ergebnisse präsentieren. Vermissen muss man aber einen eindeutigen Zusammenhang, und es stellt sich schnell der Verdacht ein, dass es den so schnell nicht geben wird …
Literaturangaben:
MACHILL, MARCEL / BEILER, MARKUS (Hrsg.): Die Macht der Suchmaschinen / The Power of Search Engines. Herbert von Halem Verlag, Leipzig 2007. 352 S., 28,50 €.
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