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Die linguistische Get-well-Karte – Über André Meinungers „Sick of Sick?“

Meinunger rechnet mit Sprachkritiker Bastian Sick ab

Von: MARTIN SPIESS - © Die Berliner Literaturkritik, 14.07.08

 

Ojemine! Damit nicht genug, dass Bastian Sick sich selbst zum Sprachwächter aufgeschwungen hat. Jetzt kommt auch noch ein richtiger Sprachwissenschaftler daher, liest Sick quer und zückt überall dort den Rotstift, wo dem vermeintlich unfehlbaren „Zwiebelfischer“ ein Fehler passiert ist. Er versuche, ähnlich unterhaltsam wie Bastian Sick zu sein, schreibt Linguist André Meinunger in seinem Buch „Sick of Sick? Ein Streifzug durch die Sprache als Antwort auf den ‚Zwiebelfisch’“. Na, das kann ja heiter werden. Oder – wie man’s nimmt – eben nicht.

Denn wenn eines gehörig nervt an Bastian Sick, dann sein ambitionierter Kalauerhumor. Meinunger macht glücklicherweise nicht denselben Fehler – trotz der Tatsache, dass er sich vorgenommen hat, ebenso komisch zu sein wie Sick. Und das Buch, das mit seinem etwas zu nahe liegenden anglizistischen Wortspieltitel bei Sick womöglich in die Kritik geriete, ist schlicht ein Segen. Ein Amazon-User schreibt, dass es „zum Glück mehr als ein Versuch [ist], noch etwas Geld aus dem Trend zu schlagen.“ Und dem kann der Leser sich nur anschließen.

Meinunger geht Stück für Stück die von Sick in seiner Kolumne behandelten Fälle durch und weist ihm ebenso sukzessive Fehler und Fehlinterpretationen nach. Sick, der sich selbst als Sprachschutz-Ritter in schimmernder Rüstung darstellt, ist – das stellt Meinunger immer wieder fest – weniger an der freien Auslegung der Sprache interessiert, als an harten, mitunter falschen Regeln, die seine Thesen untermauern.

Vor allem macht Meinunger auf den Unterschied zwischen Sprache und Schrift aufmerksam. In diesem Zusammenhang zitiert der Autor den Schweizer Linguisten Ferdinand de Saussure: „Sprache und Schrift sind zwei verschiedene Systeme von Zeichen: das letztere besteht nur zu dem Zweck, das erstere darzustellen.“ Sprachwissenschaft hat de Saussure zufolge Sprache zum Gegenstand, nicht Schrift, schreibt Meinunger. Sick aber vermengt beides.

André Meinunger ist dankenswerterweise kein zweiter Bastian Sick. Er ist aber auch keine beleidigte Linguistenleberwurst. Er schreibt ohne jedes unangebrachtes Pathos und frei von sämtlicher Polemik. Er ist tatsächlich an Sprache interessiert und nicht an Schrift und deren Auswirkungen auf das gesprochene Wort: „Es sollte inzwischen klar geworden sein, dass es die Sprache selbst ist, die sich ihre eigenen Gesetze geschaffen hat und deren Einhaltung sie ohne jegliches sprachpflegerische Zutun vor dem Verfall und Aussterben bewahrt.“

Grammatikalische Regularien, noch dazu in einem Sickschen Befehlston vorgetragen und gefordert, tragen nicht zur Vielfalt, Lebendigkeit und Entwicklung von Sprache bei. Und doch behauptet Sick, es gehe ihm um Sprache. Nach „Sick of Sick?“ ist allerdings klar: Dem Mann mit dem sprechenden Namen und der erfolgreichen Kolumne geht es um alles andere, nur nicht um Sprache. Meinunger hingegen meint es sehr wohl ernst. Sick of Sick? Aber sicher. Danke für die Get-well-Karte, Herr Meinunger.

Literaturangaben:
MEINUNGER, ANDRÉ: Sick of Sick? Ein Streifzug durch die Sprache als Antwort auf den „Zwiebelfisch“. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2008. 176 S., 12,80 €.

Verlag

Martin Spieß, diplomierter Kulturwissenschaftler, lebt und arbeitet als freier Autor im Wendland. Er ist einziges Mitglied der Gitarrenpopband VORBAND


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