MÜNCHEN (BLK) – Den zweiten Band „Kafka. Die Jahre der Erkenntnis“ von Reiner Stachs Kafka-Biografie rezensiert Andreas Dorschel in der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“). Der erste Teil der Biografie, der unter dem Titel „Die Jahre der Entscheidungen“ bereits vor sechs Jahren erschien, sei nicht nur auf Begeisterung gestoßen. Grund hierfür sei gewesen, dass sich Stach zum auktorialen Erzähler „des Lebensromans eines erotisch scheiternden und ästhetisch triumphierenden Helden namens Franz Kafka“ „erhob“, meint Dorschel in der „SZ“.
Nachdem Stach im ersten Band die Jahre 1910-1915 betrachtete, widmet er sich nun dem Zeitraum von 1916 bis zu Kafkas Tod im Jahr 1924. Der Biograf sei „sich treu geblieben“ und sei somit „ganz im Sinne eines Erzähltypus des 19.Jahrhunderts, ein Autor, der sich einerseits in seinen Helden einfühlen vermag, andererseits es besser weiß als dieser“, urteilt der Rezensent der „SZ“. Stellen, in denen Stach „es besser weiß“, vermitteln zwar den Anschein, der Biograf beanspruche geistige Überlegenheit gegenüber Kafka, doch sei dem nicht so, meint der Rezensent. Hierbei handele es sich seiner Meinung nach um „tatsächlich besseres Wissen“, das ein Biograf aufgrund von Kenntnis der Zusammenhänge und Zugang zu Dokumenten besitze. Grundsätzlich komme keine Biografie ohne „Erzählen“ aus, aus diesem Grund gebe es auch keinen reinen „wissenschaftlichen Biografen“, stellt Andreas Dorschel in der „SZ“ klar. Stach misstraue der Literaturwissenschaft, was Dorschel auch für berechtigt hält. Der Autor reduziere auch seine „biographie romancée“ nicht nur auf das innere Geschehen, sondern entfalte beispielsweise auch „souverän eine kritische Sozialgeschichte des Ersten Weltkiegs“.
Reiner Stach wolle selbst einen literarischen Text „zuwege bringen“ und trete somit „zu Kafka in Konkurrenz durch Paraphrase“. Dies bezeichnet der Rezensent als eine formale Gefährdung des Stachschen Projektes. Des Weiteren „klebe“ der Biograf „unpräzise und beliebige Bilder“ aneinander, welche Kafkas „Sprachgeist“ nicht vertrage, bemängelt der Kritiker. Somit würden Stachs Metaphern Gedanken ersetzen, anstatt sie auszudrücken. (car/wip)
Literaturangaben:
STACH, REINER: Kafka. Die Jahre der Erkenntnis. S. Fischer, Frankfurt am Main 2008. 728 S., 29,90 €.
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