Werbung

Werbung

Werbung

Zeitreise und Entwicklungsroman

Volker Schlöndorffs Buch „Licht Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme“

© Die Berliner Literaturkritik, 25.08.08

 

Von Wilfried Mommert

Wer in diesen Tagen mit Volker Schlöndorff in seinem alten Jaguar von Max Frisch vom Berliner Funkturm zum Kudamm fährt und dabei den bald 70-jährigen Filmregisseur von „seinem“ alten Paris und neuen Filmprojekten reden hört, spürt eine fröhliche Gelassenheit des Oscar-Preisträgers der „Blechtrommel“. Und er hat wohl auch allen Grund dazu, trotz aller Turbulenzen in seinem Leben, die er in seinen jetzt erschienenen Erinnerungen „Licht, Schatten und Bewegung - Mein Leben und meine Filme“ nicht verschweigt.

Es ist ein anschaulicher Bummel über den „Abenteuerspielplatz“ eines Lebens, wie der Autor es selber nennt, ein detailreicher wie auch spannend erzählter Entwicklungsroman und eine fesselnde Zeitreise zugleich („es ist nicht nur meine Geschichte“). Und es ist natürlich nicht zuletzt ein gutes Stück Filmgeschichte seit den 60er Jahren, als der junge Schlöndorff als Schüler und Student in Paris die aufregenden Kreise der neuen Filmemacher um die französische Nouvelle Vague wie Louis Malle (der sein großes Vorbild werden sollte), Jean-Luc Godard und Francois Truffaut geriet. Schlöndorff vereint dabei überraschend eine eher „undeutsche“ ironische Leichtigkeit mit philosophischer Nachdenklichkeit bei seinem Rückblick auf Triumphe und bittere Niederlagen, beruflich wie privat.

Die jüngste Niederlage war auch der Anstoß und die Gelegenheit zu dem Buch. „Vor einem Jahr wurde ich zum ersten Mal von einem Produzenten gefeuert“ ist denn auch der erste Satz darin. Das Projekt hieß „Die Päpstin“. Also Pause genug zur Rückschau auf das Leben eines Regisseurs mit immerhin 30 Filmen und eines Mannes auf der ewigen Suche nach dem Glück mit Ehen und Affären von Margarethe von Trotta bis Ute Lemper (manchmal war „regelrechter Bürgerkrieg“), sich und andere dabei keineswegs immer schonend – eine seiner Frauen stellte in der Silvesternacht 1968 entsetzt fest, dass er „keine Ahnung hatte, wie eine Frau angefasst werden will“.

Und eine seiner großen Lieben gab es ihm schriftlich, was den schon renommierten Filmemacher in Depressionen stürzte und auch zweimal wöchentlich in die Arme eines New Yorker Psychiaters trieb: „Du lebst Dein Leben nur als Zaungast“, sie sei vor ihm weggelaufen, „um nicht ganz zerstört zu werden“. Inzwischen ist der Regisseur wieder glücklich verheiratet und hat eine 16-jährige Tochter (die sich für Kino-Events mit ihrer Clique, aber „überhaupt nicht für Filmkunst“ interessiert, wie es der Vater ausdrückt). Aber auch seine jetzige Frau hatte ihm seinerzeit ins Stammbuch geschrieben, als er einmal selbstkritisch meinte, er „funktioniere“ eigentlich nur: „Du hast nie zugelassen, dass du glücklich bist.“

Das hat sich im Alter geändert. Diese Lebensentscheidung „Film oder Familie“ hat Schlöndorff wie manche seiner Kollegen oft umgetrieben, sein Altmeister Fritz Lang schrieb ihm dazu am Ende seines Lebens: „Wenn ich in meinem Leben gezwungener Weise vor der Wahl stand, mich entscheiden zu müssen... so hat immer der Beruf gewonnen.“ Schlöndorff hat es am eigenen Leibe erfahren, wie er anschaulich und bewegend in seinem Buch auch schildert, diese Zerrissenheit zwischen der ewigen Suche nach dem „wahren Leben“ und die Erkenntnis, „dass Kunst wohl doch nur in der Einsamkeit passiert“.

Das wohl spektakulärste Ergebnis dieser Kunstsuche war zweifellos der Glücksfall der Verfilmung der „Blechtrommel“ von Günter Grass mit dem kleinwüchsigen David Bennent. Natürlich muss der Regisseur seit dem Oscar und der Goldenen Palme von Cannes damit leben, zumeist mit diesem „Markenzeichen“ identifiziert zu werden, „als ob ich kaum noch was anderes nennenswertes gemacht hätte“ (vom „Jungen Törless“ und der Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ über „Homo Faber“ und dem „Tod eines Handlungsreisenden“ bis zur „Stille nach dem Schuss“). Aber er weiß auch, dass er „nie wieder einen Gipfel dieser Höhe erklommen habe und einige Abstürze danach hinnehmen musste“, insgesamt komme er mit diesem Etikett aber ganz gut zurecht. Kunststück, andere Kollegen streben ein ganzes Leben vergeblich nach so einem Erfolg.

Womit Schlöndorff weniger zurecht kam, war die Ablehnung seines Vaters, der die „Blechtrommel“ einfach nur „scheußlich“ fand und der schon versucht hatte, seinen Erstling „Der junge Törless“ 1966 nach Robert Musil als „reine Arschfickerei“ zu hintertreiben. Dass Schlöndorff eine eigentlich entscheidende Liebesszene zwischen den beiden Internatszöglingen dann nicht gedreht hat, verzeiht er sich bis heute nicht. „Es fehlt was Wichtiges, aber ich hatte eine Scheu davor. Es war auch Angst vor dem Vater und vor der ganzen bürgerlichen Gesellschaft, die er vertrat.“ Die machte den Oscar- Preisträger später sogar zum Chef der traditionsreichen Studios in Potsdam-Babelsberg, worüber in dem Buch natürlich auch gesprochen wird, das auch den schönen Satz von Werner Herzog bei einem Treffen mit Schlöndorff und Wim Wenders enthält: „Es ist doch erstaunlich, dass es uns immer noch gibt.“

Literaturangaben:
SCHLÖNDORFF, VOLKER: Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme. Hanser Verlag, München 2008. 472 S., 24,90 €.

Verlag

Volker Schlöndorff im BLK-Blickpunkt


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: