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Die Konstruktion eines Romans – Baricco erzählt „Diese Geschichte“

Hauptfigur ist Ultimo, der sein Leben nur einem Ziel widmet: dem Bau der perfekten Autorennbahn

© Die Berliner Literaturkritik, 27.06.08

 

Von Ingo Senft-Werner

Leidenschaft und Lebensgefahr, Gier und Geheimnis, Erotik und Exotik sind die Zutaten spannender Romane. Aus ihnen hat auch der italienische Bestsellerautor Alessandro Baricco sein aktuelles Erfolgswerk zusammengestellt, lapidar mit „Diese Geschichte“ betitelt. Hauptfigur ist Ultimo, der kurz vor dem Wechsel zum 20. Jahrhundert geboren wird und sein Leben nur einem Ziel widmet: dem Bau der perfekten Autorennbahn. Seine einzige Liebe gilt der von der Oktoberrevolution vertriebenen russischen Aristokratin Elizaveta. Die extravagante Frau verfolgt allerdings andere Pläne und begreift erst am Ende ihres Lebens, welch große Leidenschaft unerfüllt geblieben ist.

Der Roman setzt sich aus sieben Teilen zusammen, in denen der Autor verschiedene Erzähltechniken demonstriert. Zum Auftakt des Buches schildert er eines der ersten Autorennen Europas von Paris in Richtung Spanien, das wegen etlicher Toter frühzeitig abgebrochen wurde. Der erste Kunstgriff: Rückschau auf eine exotische historische Begebenheit.

Ultimos Kriegserlebnisse beschreibt Baricco aus der Sicht eines Professors, der die Wahrheit der Schlacht um Caporetto sucht. Dort unterlagen die Italiener im ersten Weltkrieg nach monatelangen Grabenkämpfen den deutsch-österreichischen Truppen. Dieses Kapitel um die Faszination und Grausamkeit des Krieges hätte Baricco durchaus als eigenständige Kurzgeschichte veröffentlichen können.

Elizavetas Lebenslauf verpackt der Autor in Tagebuchform; zum Baubeginn der Rennbahn lässt er Ultimos behinderten Bruder zu Wort kommen. Damit wirkt der Roman zu Teilen wie ein Lehrbuch für Bariccos „Scuola Holden“, der Kreativ-Universität für junge Autoren, die er 1994 in Turin gegründet hat. Gekonnt konstruiert, aber dadurch in einigen Passagen leblos oder auch übertrieben, etwa bei den sexuellen Eskapaden der alternden Elizaveta.

Insgesamt erfüllen die gängigen Zutaten jedoch ihre Bestimmung. Baricco komponiert sie zu einer spannenden Geschichte um eine Hauptfigur, die zugleich beneidenswert und bemitleidenswert ist. Für Ultimo sind Menschen nur in den wenigen Jahren glücklich, in denen sie das tun können, für was sie geboren sind. „Die übrigen Jahre sind eine Zeit, die mit Warten oder Erinnern vergeht. (…) Man wirkt traurig, aber das liegt nur daran, dass man wartet oder sich erinnert.“

Literaturangaben:
BARICCO, ALESSANDRO: Diese Geschichte. Roman. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Carl Hanser Verlag, München 2008. 312 S., 19,90 €.

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