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Nach New York und wieder zurück: Lillian Leybs „unglaubliche Reise“

Glaubhaft beschreibt Amy Bloom die im post-traumatischen Stress erstarrte Lillian

© Die Berliner Literaturkritik, 06.03.08

 

Von Dorothée Junkers

Die preisgekrönte Schriftstellerin Amy Bloom ist von Berufs wegen eine Kennerin menschlicher Abgründe. Für ihren zweiten Roman ist die Psychotherapeutin in beiden Metiers zur Höchstform aufgelaufen: „Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb“ ist ein vielschichtiger Historienroman über Verlust und Trauma, Beharrlichkeit und Mutterliebe. Nachdem ihre Familie bei einem Massaker ermordet worden ist, flieht die junge Lillian aus ihrer russischen Heimat ins New York der 20er Jahre. Ohne Geld oder Englischkenntnisse hält sie sich mit Näharbeiten über Wasser, taucht ab in die Theaterszene der Lower East Side. Eine seltsame Dreiecks-Beziehung entspinnt sich zwischen Lillian, dem Theatermacher Reuben Burstein und seinem schauspielernden Sohn Meyer.

Der Plot dreht sich, als Lillian erfährt, dass ihre Tochter Sophie überlebt hat und von Nachbarn mit nach Sibirien genommen wurde. Ganz nach dem jiddischen Leitmotiv des Buchs „Az me muz, ken men“ macht sie sich auf in Richtung UdSSR. Als blinder Passagier, auf einem Maultier und am Ende zu Fuß gelangt sie über Chicago und Vancouver bis nach Alaska. Lillian taucht ein in die afro-amerikanische Untergrund-Szene Seattles, überwintert in einem Frauengefängnis. Als abgerissene Wanderin entlang des legendären Telegraph Trail findet sie mitten in der alaskischen Wildnis die Liebe ihres Lebens.

Immer wieder scheint die Psychologin in Bloom durch. So sind ein wiederkehrendes Motiv Träume, womit Bloom offensichtlich auf den „American Dream“ der grenzenlosen Möglichkeiten anspielt. Glaubhaft beschreibt Bloom die im post-traumatischen Stress erstarrte Lillian, geschüttelt von Alpträumen über das Massaker. Nur durch diese Alpträume erfährt indes auch der Leser, was genau bei der Tragödie passiert ist – der sich an dieser Stelle womöglich jedoch mehr geschichtlichen Hintergrund über den Pogrom gewünscht hätte.

Blooms Technik ist die des „allwissenden“ Erzählers, der zwischen den Zeiten und Handlungssträngen hin- und herspringen kann. Dadurch gelingen ihr lebendige Schilderungen der Menschen, denen Lillian auf ihrem Weg begegnet und die ihr wie einer Pilgerin helfen: Der väterliche Yaakov, der Zuhälter Snooky, die Hure Gumdrop, die gierige Cousine Reisele, das Kind Ned. Durch ihre Augen blickt der Leser auf Lillian, die mal Heldin und mal Anti-Heldin ist, besonnene Mutter, ein Mädchen, naiv an der Grenze zur Dummheit, diebische Lumpengestalt, hässliches Entlein, Sexobjekt, elegante Liebhaberin. Blooms Sprache ist voll von außergewöhnlichen Motiven und Bildern, die zumindest in der deutschen Übersetzung jedoch ab und zu in leicht überfrachtete Schachtelsätze gepackt wurden. Hier lassen auch einige Fehler („er aufsteht“) den Leser gelegentlich stolpern.

Literaturangaben:
BLOOM, AMY: Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb. Roman. Aus dem Amerikanischen von Adelheid Dormagen. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg. 319 S., 19,95 €.

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