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Eine Hommage an frühere Tage – Alexa Hennig von Langes „Risiko“

Alexa Hennig von Langes neuer Roman geht kein Risiko ein

Von: MARTIN SPIESS - © Die Berliner Literaturkritik, 18.03.08

 

Die Familie ist heilig. Dieses Fazit ist ein seit Moses in Stein gehauenes Gesetz: „Du sollst Vater und Mutter ehren“, heißt es im vierten Gebot. Eigentlich aber muss der Holzhammer Bibel gar nicht herangezogen werden. Für jede Mutter und jeden Vater steht die Liebe zum Partner und den Kindern an erster Stelle. Gefahr besteht jedoch immer, dass etwas anderes an die erste Stelle oder zumindest Zweifel eintritt. Wenn das passiert, dann ist der Faden, an dem das Damoklesschwert über dem familiären Glück baumelt, mit einem Mal seidendünn.

Alexa Hennig von Lange erzählt in ihrem neuesten Roman „Risiko“ von eben dieser Situation: Protagonistin Lilly hat ihren Mann Erik mit ihrem langjährigen Freund und jetzt Nachbarn Helge betrogen. Und obwohl sie eigentlich weiß, dass sie mit Erik und den beiden Kindern Greta und Matti zusammen bleiben will, fühlt sie sich zu Helge hingezogen. Immerhin hatte sie mit ihm in ihrer Jugend eine lange Jahre dauernde Beziehung, außerdem verbindet die beiden der Tod von Lillys Mutter und ihres kleinen Bruders, die bei einer Wattwanderung starben. Ihren Mann Erik aber liebt sie, das glaubt sie zumindest. Und auch die Kinder, die sie über alles liebt, will sie nicht verlieren. Es kommt, wie es kommen muss: Helges Frau Irene weiß von der Affäre, will Helge aber nichts davon sagen, wenn Lilly etwas mit ihr anfängt. Denn wie sie Lilly eröffnet, ist diese die Liebe ihres Lebens. Mit dieser Offenbarung ist Irene plötzlich eine psychopathologische Stalkerin, die vor nichts zurückschreckt, um ihr Ziel zu erreichen. Erik ahnt von all dem nichts, sondern werkelt nur an seiner nichts einbringenden Kunst. Außerdem baut er, der im Nahen Osten angeschossen und offensichtlich traumatisiert wurde, an seinem Schutzraum im Keller und unterrichtet die vier (Matti) und sieben (Greta) Jahre alten Kinder in einer Art Überlebenstraining: Nicht zu Fremden ins Auto steigen, im Garten herumrobben, Männern in die Hoden treten. Kurz vor Ende steckt Greta ihrer vollends in den Wahnsinn abgerutschten Entführerin Irene einen Kugelschreiber ins Auge.

Alexa Hennig von Lange muss es mit den Jahren ganz schön auf die Nerven gehen, dass sie immer wieder und immer noch mit ihrer wilden „Relax“-Vergangenheit verglichen wird. Aber auch „Risiko“ passt sich ein in die Entwicklung Hennig von Langes hin zu einer immer zahmer werdenden Autorin mit einer entsprechend entschärften Stimme. Ging es in Hennig von Langes Debüt „Relax“ noch um Drogen, Schwänze und Muschis, ist „Risiko“ Symptom für eine alternde Autorin, die sich an reiferen Themen versucht. Das klingt zu Beginn des Romans auch wirklich gut und glaubwürdig, versucht da doch schließlich eine Protagonistin, die Frau und Mutter zugleich ist, einen Ausweg aus dem sie auffressenden Alptraum Seitensprung zu finden. Als sich dann aber Irene offenbart, Helge im Alkohol und seine Kinder in Drogen versinken, klingt das wie eine missglückte Hommage Hennig von Langes an sich selbst vor zehn Jahren oder ein RTL-Fernsehfilm mit haarsträubendem Plot. Das eigentliche Problem nämlich, die zerbröckelnde Familie, löst Hennig von Lange nicht, sie schiebt es mit Holzhammerwucht zur Seite. Klar, dass Erik, der den Nahen Osten überlebt hat, sich nicht von einem Seitensprung unterkriegen lässt. Plausibel aber klingt das, was da passiert, trotzdem nicht. Weil es wirkt, wie mit der Brechstange herbeigeführt. „Risiko“ hätte etwas Fingerspitzengefühl nicht geschadet. Schließlich geht es um Familie. Und die reagiert eher allergisch auf Brechstangen.

Literaturangaben:
HENNIG VON LANGE, ALEXA: Risiko. Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2007. 250 S., 19,90 €.

Verlag

Martin Spieß, diplomierter Kulturwissenschaftler, lebt und arbeitet als freier Autor im Wendland. Er ist einziges Mitglied der Gitarrenpopband VORBAND


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