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Vermeidbare Pleiten?!

Sachbuch-Presseschau vom 5. Juli 2004

© Die Berliner Literaturkritik, 05.07.04

 

BERLIN (BLK) -- Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" befasst sich mit dem letzten Band einer Trilogie von Peter Reichel, die die deutsche Vergangenheitsbewältigung zum Gegenstand hat, und ist zufrieden mit der Aufarbeitung. Höchst erfreut ist der Rezensent der Faksimile-Ausgabe von "Les Belles Heures du Duc de Berry". Behandelt hat die "FAZ" weiterhin drei Bücher, die sich mit "Strategischem Management" beschäftigen, und empfiehlt sie den angesprochenen Experten zur Lektüre. Die "Süddeutsche Zeitung" rezensiert in ihrer heutigen Ausgabe ein Buch von Christoph Schmink-Gustavus, das sich mit einem, in Deutschland weitgehend unbekannten, Massaker an Italienern beschäftigt und attestiert ihm, sich einfühlsam mit dem Thema befasst zu haben. Des Weiteren wird eine "faszinierende Darstellung" der Agrarwissenschaft im Dritten Reich vorgestellt. Auch ein "schön editierter Band" über den so genannten "George-Kreis" erfreut den Rezensenten. Einen Bildband mit "wohl dosiertem Tabubruch" hat die "SZ" in Brendan Powell Smiths Buch "Das 1. Buch L" gesehen, der mit Lego-Figuren Szenen aus dem Alten Testament nachgestellt hat. Die "Frankfurter Rundschau" stellt Bücher zweier jüdischer Autorinnen vor, die sich zum einen mit dem Nahost-Konflikt beschäftigen und zum anderen mit dem Geschichtsbild Jugendlicher. Beide Bücher werden im Großen und Ganzen positiv bewertet.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Peter Reichel vollende seine 1991 begonnene Trilogie, die mit allen drei Bänden ein imponierendes Panorama deutscher Vergangenheitsbewusstseins bilde. Es zähle zu den Vorzügen seines neuen Buches "Erfundene Erinnerung", dass es deutlich mache, wie wenig beliebig die immer neue Erfindung der Vergangenheit anhand der Überlieferung sei, so die "FAZ". Man habe in Deutschland zuerst die Rolle des Kriegsopfers, dann die des Täters, des Massenmörders an Juden und anderen und nun wieder die des Opfers - Bombenkrieg, amerikanische und russische Besatzung - durchlaufen. Der Begriff der "erfundenen Erinnerung" fasse diesen ambivalenten Begriff recht genau

Man müsse nicht ausführen, um was für ein schönes Buch es sich bei den "Belles Heures" handele. Es sei ein legendäres Buch, eine der schönsten illuminierten Handschriften überhaupt, dieses um den Jahreswechsel 1408/09 fertig gestellte Werk, das in der Welt der Bibliographen den Namen "Les Belles Heures du Duc de Berry" trage. Man sehe dem Buch seine Kostbarkeit nicht sofort an, doch könne man in der Faksimileausgabe die Buchmalereien der Gebrüder Limburg, ihre revolutionäre Bildfindung, Farbkomposition und Figurengestik, in einer Unmittelbarkeit bestaunen, die keine konventionelle Reproduktion erreiche.

Zwar sei in den vergangenen Jahren viel über strategische Unternehmensführung geschrieben worden, doch habe man nur wenig erreicht. So reiße denn auch die Reihe spektakulärer Firmenpleiten, Schieflagen und Bilanzskandalen, denen schwere strategische Fehler vorausgegangen seien, nicht ab. Die meisten von ihnen hätten vermieden werden können, meinen der Genfer Betriebswirtschaftsprofessor José-Carlos Jarillo und der Bonner Unternehmensberater Hermann Simon. Beide Bücher seien nicht als Wegweiser, wohl aber als Katalysatoren des strategischen Denkens zu verstehen, so die "FAZ".

Die Bereitschaft, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, gleichzeitig aber bewährte Konzepte aufzugreifen und weiterzuentwickeln - das sei nach Auffassung der beiden Herausgeber Harald Hungenberg und Jürgen Meffert des "Handbuchs Strategisches Management" die Grundlage jeder modernen Strategieentwicklung. Insgesamt griffen die Autoren aktuelle und zentrale Aspekte des strategischen Managements auf. Das Werk sei zwar "beratungslastig", sehr beispielhaft und theoretisch wenig abgestützt, aber wahrscheinlich hätten sich in noch keinem Sammelband so viele "Directors" und "Principals" von McKinsey und Vorstandsmitglieder bedeutender deutscher Unternehmen zusammengefunden. Für Leser, die an Praxisbeispielen Interesse hätten, stelle dieses Buch eine Fundgrube dar.

"Süddeutsche Zeitung"

Das Massaker von Kephalloniá, bei dem deutsche Soldaten tausende von italienischen Soldaten töteten, sei in Deutschland weitgehend unbekannt. Keiner der Täter sei je von einem deutschen Gericht verurteilt worden. Der Autor nehme nun das Schicksal eines Überlebenden, des italienischen Artilleriehauptmanns Amos Pampaloni zum Anlass, nicht nur nach den Tätern zu fragen, wie die "SZ" informiert. Er suche auch nach den Menschen, die Amos gerettet haben, dafür aber mit ihrem Leben bezahlt hätten. Er zeichne die Tragödie einfühlsam nach. Am Ende des Buches finde die Dortmunder Staatsanwaltschaft Erwähnung, die 1998 die Ermittlungen in diesem Fall noch einmal eröffnet habe. Die Traditionspflege der für das Massaker verantwortlichen Gebirgstruppe bleibe davon aber unberührt - alljährlich finde in Mittenwald ein Treffen statt.

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Die Agrarwissenschaft im Dritten Reich stünden im Blickpunkt von Susanne Heims "Kalorien, Kautschuk, Karrieren. Wie die "SZ" in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, sei dass Thema weitgehend unberührt und die Autorin untersuche nun das Verhältnis von Staat und Forschung. Nach den Erfahrungen im I. Weltkrieg habe das Nazi-Regime Wert darauf gelegt, dass das Reich bereit sei die "Erzeugungsschlacht" zu gewinnen. Daraufhin seien etliche Forschungszentren zur Pflanzen- und Tierzüchtung ins Leben gerufen worden. Der Rezensent bescheinigt der Autorin, in einer "faszinierender Darstellung" der Ereignisse und Ergebnisse, ohne diese aber einer Wertung zu unterziehen. 

Der Dichter Stefan George (1868 bis 1933) habe lange Zeit die Einheit von Kunst und Leben vertreten. Er habe sich anschließend mit anderen Künstlern zum so genannten George-Kreis zusammengeschlossen, der im Besonderen an Monographien zu geistigen Heroen gearbeitet habe. Ziel sei es gewesen, die "ewigen Werte" zu vermitteln und zu erhalten. Die unterschiedlichen Wissenschaftsstile hätten aber zu einem Zerwürfnis innerhalb des Kreises geführt. Nun erscheine mit "Geschichtsbilder im George-Kreis" ein schön editierter Band hierzu, wobei der Rezensent anmerkt, dass die aufgezeigten Fragen wohl doch schon überholt seien.

Mit einem Bildband der ganz besonderen Sorte erfreue uns der Amerikaner Brendan Smith. Der Künstler stelle anhand von Lego-Figuren Szenen aus dem Alten Testament nach. Die Rezensentin der "SZ" betont aber, dass der Künstler Atheist sei und auch keine religiöse Botschaft vermitteln wolle. Vielmehr suche der Webdesigner die Ästhetischen Aspekte der Bibelgeschichten in den Vordergrund zu stellen. Die Idee sei seit der "Harald Schmidt Show" in Deutschland schon bekannt und sorge mit "wohldosiertem Tabubruch" für Erheiterung.

"Frankfurter Rundschau"

Das neue Buch der jüdisch-israelischen Journalistin Amira Hass, "Bericht aus Ramallah", sei ein einzigartiges Dokument des immer auswegloser erscheinenden Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Zusammen mit ihrem im letzten Jahr erschienenen Buch "Gaza. Tage und Nächte in einem besetzten Land" und der Studie "Diesen Krieg kann keiner gewinnen" des israelischen Schriftstellers David Grossman lägen nun drei Bücher vor, die im Geiste der Versöhnung geschrieben worden seien und dem Wunsch folgten, die israelische Regierung zu einem auf dem Prinzip der Gleichheit beruhenden Friedensprozess zu bewegen. Amira Hass belege, in der Form der Reportage, wie Israel seine Politik der Entmündigung und Entrechtung gegen einen in der Gesetzlichkeit und in den Eigeninitiativen schwachen Gegner kontinuierlich durchsetze, teils mit raffinierten Definitionen von israelischem Staatsbesitz, teilweise scheinheilig im Namen des Friedensprozesses.

Mehr: Jüdin in Gefahr

Die jüdische Autorin fasse in "Offene Antworten" Briefe von Kindern und Jugendlichen zusammen, informiert die "FR". Die Schriftstellerin versuche seit Jahren den Heranwachsenden den Holocaust nahe zubringen und dokumentiere nun Briefe, die sie als Reaktion auf ihr Bemühen erhalten habe. Sie zeige sich sehr erfreut über die ihr entgegengebrachte "Empathie der Kinder" und spreche daher von der "neuen Generation". Die Rezensentin bemängelt jedoch, Inge Deutschkrons Erklärungen fielen mit unter "sehr schlicht" aus und einige "interessante Aspekte" würden nur kurz angerissen. Jedoch sei das Buch ein "erhellendes Spotlight auf die Geschichtsbilder der Jugendlichen". (lep/dum)

Literaturangaben:
DEUTSCHKORN; INGE: Offene Antworten. Meine Begegnungen mit einer neuen Generation. Transit-Verlag, Berlin 2004, 104 S., 9,80 €.
HASS, AMIRA: Bericht aus Ramallah. Eine israelische Journalistin im Palästinensergebiet. Übersetzt aus dem Englischen von Andrea Panster. Diederichs Verlag, München 2004. 232 S., 19,95 €.
HEIM, SUSANNE: Kalorien, Kautschuk, Karrieren. Pflanzenzüchtung und landwirtschaftliche Forschung in Kaiser-Wilhelm-Instituten 1933-1945. Wallstein Verlag, Göttingen 2003, 280 S., 24 €.
HUNGENBERG, HARALD; MEFFERT, JÜRGEN: Handbuch Strategisches Management. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 2003. 960 S., 99 €.
JARILLO, JOSÉ-CARLOS: Strategische Logik. Die Quellen der langfristigen Unternehmensrentabilität. Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 2003. 298 S., 39,90 €.
LES BELLES HEURES DU DUC DE BERRY. Acc. No. 54.1.1 Metropolitan Museun of Art, The Cloisters Collection, New York. Mit einem Begleitband von Eberhard König. Faksimile Verlag Luzern, Luzern 2004. 223 S., bis 31. Dezember 2004 8980 €, danach 9980 €.
REICHEL, PETER: Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater. Carl Hanser Verlag, München 2004. 374 S., 24,90 €.
SCHLIEBEN, BARBARA/ SCHNEIDER, OLAF; SCHULMEYER, KERSTIN (Hrsg.): Geschichtsbilder im George-Kreis. Wege zur Wissenschaft. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 400 S., 40 €.
SCHMINK-GUSTAVUS, CHRISTOPH: Kephalloniá 1943-2004. Auf den Spuren eines Kriegsverbrechers. Donat Verlag, Bremen 2004. 240 S., 18,80 €.
SIMON, HERMANN: Think! Strategische Unternehmensführung statt Kurzfrist-Denke. Campus Verlag, Frankfurt 2004. 235 S., 39,90 €.
SMITH, BRENDAN POWELL: Das 1. Buch L. Biblische Geschichten aus dem Baukasten. Sanssouci Verlag, 152 S., 12,90 €.

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