STOCKHOLM (BLK) – Als „kosmopolitischen Autor und Nomaden“ mit europäischen Wurzeln sieht die Schwedische Akademie den diesjährigen Nobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio (68) aus Frankreich. Er sei vor allem mit seinen späteren Werken ein „allem zugänglicher Autor“ meinte der Sprecher und „Ständige Sekretär“ der Nobelpreis-Jury, Horace Engdahl, am Donnerstag (9. Oktober 2008) im Interview „Drei Fragen, drei Antworten“ der Deutschen Presse-Agentur:
Ist der Nobelpreisträger Le Clézio für Sie ein klassischer europäischer Autor?
Engdahl: „Eine schwere Frage, aber eigentlich ist er das nicht. Le Clézio ist ein Kosmopolit, ein Nomade. Er gehört mehreren Kulturen an und hat große Teile seines Lebens ganz woanders gelebt als in Europa. Davon ist seine Autorenschaft auch deutlich geprägt. Man kann ihn nicht zu den typisch europäischen Schriftstellern rechnen.“
Stufen Sie ihn als leicht oder schwer zugänglich im Vergleich zu anderen Nobelpreisträgern ein?
Engdahl: „Wenn er den Preis in den 70er Jahren nach Beginn seiner Autorenschaft bekommen hätte, hätte ich gesagt, dass er ein schwerer Autor ist. Das war er nämlich am Anfang, als er im französischen Stil schrieb und seine Prosa – wie damals üblich – ziemlich hochgeschraubt hat. Aber seitdem hat er einen weiten Weg zurückgelegt und ist ein Epiker geworden, dessen Romane tatsächlich jeder lesen kann. Sein Stil ist durchsichtig und unprätentiös geworden. Ich würde den Stil fürsorglich nennen.“
Sie haben Europa als das literarische Zentrum der Welt eingestuft. Ist der Preis von Le Clézio, dem siebten europäischen unter den letzten zehn Preisträger, Ausdruck davon?
Engdahl: „Ja, das kann man wohl doch sagen, denn seine Wurzeln stecken ja in der französischen Literatur. Le Clézios Art zu reisen, ist ja auch typisch für Europäer, wenn sie sich mit fremden Kulturen identifizieren und diese intensiv beschreiben. Der universelle Mensch zu werden, das will der Europäer ja. Ich erwarte keine Kontroversen wegen dieses Preises. In Frankreich ist Le Clézio allgemein als der größte lebende Autor des Landes anerkannt. Und gestritten wird über einen Nobelpreisträger immer am meisten in dessen eigenem Land. Das haben wir auch 1999 bei Günter Grass erlebt.“
(Interview: Thomas Borchert, dpa / bah)