„Depp sucht Klassefrau“ ist das neue Buch von Bernd Zeller. Die Cartoons sind den meisten vielleicht schon bekannt aus vorherigen Ausgaben der Berliner Literaturkritik. Thema des Buches ist das Zusammenleben mit dem Partner auf den zweiten Blick. Viele Alltagsratgeber haben dieses Phänomen müde auf die Formel reduziert, dass Männer und Frauen einfach grundverschieden funktionieren. Aber in Wirklichkeit ist es doch ein Mangel an Phantasie, der die meisten Secondhand-Schicksale so unerträglich macht. Wir sehen, was wir wollen und können es nicht haben. Und was wir bereits haben, das wollen wir nicht. Laut Bernd Zeller kann sich Erotik dann nur noch im Kopf abspielen. Man denkt über Sex mit dem Ex nach oder über Sex, an den man sich nicht erinnert. Man will von den Partnern, die man hat, kein nachhaltiges Bild. Man will nur seine eigenen Vorstellungen mit Leben füllen.
Verwackelte Rollenbilder
Ist das noch komisch? Viele der Cartoons bedienen Klischees, aber gehen noch ein bisschen darüber hinaus. Das Buch kostet 9,90 Euro und füllt zehn Minuten Lesezeit – das sind 99 Cent pro Minute. Aber die Investition lohnt sich, wenn man mehr wissen will über misslungene Dates, unbefriedigenden Sex und verzweifelte allein stehende Männer. Wer Woody Allen mag, wird auch dieses Buch mögen. Früher war alles so einfach zwischen Männern und Frauen: es gab klare Rollenbilder, die beiden Geschlechtern halfen, miteinander zurecht zu kommen. Frauen waren für den Mann da, der Mann war für alle da. Sex war wichtig für die Reproduktion der Gesellschaft und richtete sich tendenziell nach den Bedürfnissen des Mannes aus. Heute ist der Anspruch in unserer Konsumgesellschaft aufgekommen, dass Sex jetzt auch noch Spaß machen muss, und außerdem möglichst noch beiden. Viele Menschen fühlen sich dadurch überfordert. Bernd Zellers Pointen wirken diesbezüglich bissig, aber verflucht richtig.
Bedürfnisorientiertes Gegenleistungsgewerbe
„Depp such Klassefrau“ könnte eine Kontaktanzeige mit Chiffrenummer in einem Kleinstadtanzeiger sein. Was meist zwischen den Zeilen steht, aber von den Betroffenen nie zugegeben wird: Es geht immer um die eigenen Bedürfnisse – ein Partner soll sie befriedigen. Während sie denkt: „Ich fühle mich so benutzt.“, verrät er mit Brille und Glatze im Hintergrund: „Ich fühle mich so unbenutzt.“ In einer anderen Szene sitzt ein Paar im Wohnzimmer: Sie beobachtet ihn beim Zeitunglesen und wünscht sich, dass er doch ein bisschen mehr wäre wie Klaus Kinski. Solche Cartoons sagen nichts, was man nicht schon selbst gedacht hat. Wir alle betreiben ein permanentes Gegenleistungsgewerbe, wo jedes Lächeln und jede Geste, die wir an Mitmenschen verschleudern, unweigerlich auch ein Ziel verfolgt, sei es Sex, Partnerschaft oder lediglich Gesellschaft. Wer sein Ziel erreicht, muss vor anderen damit maßlos übertreiben, was es nach wenigen Anläufen unmöglich macht, noch mitzuhalten. Humor ist da noch das beste Mittel, um nicht völlig an der Liebe vorbei zu schrammen. Liebe kommt übrigens in Zellers Cartoons nicht vor.
Mehr: „Na, war ich gut?“ (Kurzvorstellung)
(Susann Schmidt)
Literaturangaben:
ZELLER, BERND: Depp sucht Klassefrau. Cartoons zum Thema. Antje Sommerfeld Verlag, Kiel 2005. 64 S., 9,90 €.