BERLIN (BLK) – Das Schlossparktheater lud am Freitag, dem 31.03.2006 zur Preview von Rolf Hochhuths Drama „Nachtmusik“ ein. Standing Ovations blieben zwar aus und der imaginäre Vorhang lüftete sich nur ein paar kurze Male, doch zeigten sich sowohl Künstler als auch das Presse-Publikum zufrieden. Anlässlich des 250. Todesjahres von Wolfgang Amadeus Mozart und des 75. Geburtstags Rolf Hochhuths am 1. April nahm das Schauspielhaus „Nachtmusik“, ein „Requiem“ in zwei Akten für drei Personen, in sein Repertoire auf. Zu dem halbrunden Geburtstag steuert auch der Rowohlt-Verlag die vierte Ausgabe Gesammelter Werke inklusive neuer Gedichte Hochhuths bei. Gemeinsam mit dem Bertelsmann Club veranstaltete der Verlag am Samstag im Schlossparktheater eine Feier zu Ehren des Jubilars.
Abgründe einer Ehe
Der vielfache Preisträger und seit dem „Stellvertreter“ 1963 berühmte Hochhuth komponierte mit der „Nachtmusik“ ein spannungsgeladenes Psychogramm der Eheleute Magdalena und Franz Hofdemel (gespielt von Lisa Karlstroem und Stephan Wolf-Schönburg). Einer der vielen Theorien über Mozarts Tod nach, hat Franz den Rivalen Mozart vergiftet. Seine Frau, die attraktive Pianisten Magdalena, war nicht nur Schülerin Mozarts, sondern auch seine Liebhaberin und von ihm im fünften Monat schwanger. Franz, rasend vor Eifersucht, erträgt die Demütigung nicht und traktiert sie mit einem Messer, um sich anschließend selbst zu töten. Sie überlebt schwer verletzt. Beim Kaiser Leopold bittet sie um ein christliches Begräbnis für ihren Mann, den Selbstmörder. Der kunstsinnige Menschenkenner Leopold, von Helmut Rühl humor- und würdevoll dargestellt, kommt ihrer Bitte nach, obgleich ihm die Wahrheit bewusst ist.
Grabmal für einen Gott
Passend ineinander verschoben hat Regisseur Andreas Gergen die beiden Akte, in dem er das Ehedrama in Rückblenden mit dem Besuch Magdalenas beim Kaiser verbindet. Fred Berndts Bühnenbild kommt den unterschiedlichen rhetorischen Stilen, die Hochhuth einsetzt, sehr nah: Mal wird im derben Wiener Alltagsdialekt diskutiert, mal die geschraubte höfische Mundart bevorzugt. Das Musikzimmer der Hofdemels bzw. der kaiserliche Rokoko-Saal ist von einem Boxring eingerahmt. Das große Dreieck im Hintergrund, so Berndt, erinnere an Pyramiden, den größten Grabmalen überhaupt und somit an die Gottesähnlichkeit Mozarts. Die tragische Dreiecksbeziehung braucht man wohl kaum erwähnen.
Der Regisseur fügte einen kommentierenden, sechsköpfigen „Chor der Schatten“ dem Bühnenbild hinzu. Zusammen mit einem Cellist umrahmen die Stimmen die Handlung mit einem Lacrimosa, einem Dies Ireae und immer wieder mit dem Thema der Totenmesse. Von Kopf bis Fuß in schwarz gehüllt, fesselte die Darstellung das Publikum nicht unmaßgeblich.
Das obligatorische Jubiläum
Nach der vielmal gelobten Uraufführung in Glasgow 2001 folgte die deutschsprachige Erstaufführung am Salzburger Landestheater 2002. Man kann von einer gelungenen deutschen Erstaufführung am Schlossparktheater sprechen, auch wenn es hier und da etwas zu diskutieren geben mag. Wahrscheinlich auch die Frage, warum Hochhuth erst 75 Jahre alt und Mozart seit 250 Jahren tot sein muss, damit die „Nachtmusik“ anlässlich eines Doppeljubiläums in Deutschland inszeniert werden kann.
(Von Linda Wagner)
Mehr: Rolf Hochhuth feiert seinen 75. Geburtstag (Nachricht)
Literaturangaben:
HOCHHUTH, ROLF: Alle Erzählungen, Gedichte und Romane. Rowohlt, Reinbek 2001. 1642 S., 34,90 €.
HOCHHUTH, ROLF: Das Recht auf Arbeit/Nachtmusik. Zwei Dramen. Rowohlt, Reinbek 2000. 280 S., 19,90 €.
HOCHHUTH, ROLF: Familienbande/Nachtmusik. Komödie/Requiem. Rowohlt Tb., Reinbek 2005. 242 S., 9,90 €.