ZÜRICH (BLK) – Doron Rabinovici habe seinen zweiten Roman, "Ohnehin", in dem es unter anderem um Multikulturalität gehe, nicht ohne Grund an den Wiener Naschmarkt verlegt, so Paul Jandl in der "Neuen Zürcher Zeitung" (23.3.04). Denn an diesem "utopisch-realen Ort", wo sich die "Spannungen multikultureller Ballungsräume in kulinarischem Wohlgefallen auflösen", bewiesen Türken und Griechen, Chinesen und japanische Sushi-Köche, dass auch Wien auf lockere Art international sein kann.
Herbert Kerber, ehemaliger SS-Untersturmführer, leide am Korsakow-Syndrom; bei ihm setzt ein Gedächtnisschwund ein, den er mit erfundenen Geschichten kaschiert. Doch leider habe er vergessen, dass es etwas gibt, woran er sich nicht erinnern solle. Seine Demenz versetzt ihn ans Ende eines Krieges, ins Jahr 1945, das er im Sold der SS verbracht hat. "Verwirrt und klarsichtig" plaudere Kerber aus den Jahren seiner Täterschaft. Seine Tochter, eine Achtundsechzigerin, versuche "in grotesken Ritualen eine Art Nazi-Exorzismus", ohne jedoch allzu viel über die Verstrickungen ihres Vaters zu erfahren.
Mal mehr und mal weniger stehe "die Geschichte des anamnetischen Nazis im Mittelpunkt" des Geschehens. Die Handlung sei, "gelinde gesagt, verästelt", so der Rezensent. Wirklich stimmig sei der Roman nur in manchen Passagen, große Themen wie Ausländerfeindlichkeit und Multikulturalität seien "so thesenhaft illustriert, dass am Ende die literarische Substanz bedroht wirkt". (wip/zeh)
Literaturangaben:
RABINOVICI, DORON: Ohnehin. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 258 S., 18,90 €.