WIEN (BLK) – Er wäre am 16. September 2008 100 Jahre alt geworden: der österreichisch-tschechoslowakische Schriftsteller und Journalist Friedrich Torberg (1908-1979), der insbesondere durch seinen Roman „Der Schüler Gerber hat absolviert“ (Titel der Erstausgabe 1930, später „Der Schüler Gerber“) und die Anekdotensammlung „Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlands in Anekdoten“ (1975) berühmt wurde. Aus diesem Anlass würdigt das Jüdische Museum Wien den Literaten vom 17. September 2008 bis zum 1. Februar 2009 in der Ausstellung „Die ‚Gefahren der Vielseitigkeit’“.
Das Museum stellt die verschiedenen Aspekte der Ausstellung wie folgt vor: „Die Ausstellung im Jüdischen Museum Wien begibt sich – ausgehend von der noch heilen Vorkriegswelt der Tante Jolesch – auf Torbergs Spuren und widmet sich den zahlreichen Facetten in den Kapiteln Literatur, Exil, Kalter Krieg, Judentum, Israel und Sport. Auch die Konflikte um die in Österreich stets umstrittene öffentliche Person kommen zur Sprache.“ Zu den Exponaten werden Zeitdokumente, Fotos und Handschriften zählen, aber auch TV- und Radio-Mitschnitte werden den Besuchern präsentiert.
Friedrich Torberg, der einer deutsch-jüdischen Prager Familie entstammte, kam als Friedrich Kantor-Berg in Wien zur Welt. Später bildete Friedrich aus der letzten Silbe seines Vaternamens Kantor und dem Mutternamen Berg sein Pseudonym Torberg. Bereits in Wien trat er dem jüdischen Sportverein SC Hakoah Wien bei, um Wasserball zu spielen. 1924 folgt dann jedoch die Rückkehr nach Prag. Hier litt der junge Friedrich schwer unter dem unreformierten Schulsystem, auf der anderen Seite trat er in verschiedenen Prager Varietés auf und verfasste Gedichte. Bereits in seiner Jugend legte Torberg so schon den Grundstein für sein späteres Werk.
So erlangte Friedrich Torberg seinen ersten literarischen Erfolg mit dem Roman „Der Schüler Gerber hat absolviert“ (1930), in dem er seine Prager Schulerfahrungen verarbeitet. In dem anklägerischen Abiturientenroman übt Torberg Kritik an einem autoritären Schulsystem, das auch darauf angelegt ist, die Persönlichkeit des Schülers zu brechen. So wird die Reifeprüfung für den intelligenten und sensiblen Schüler Kurt Gerber zum Zerrbild der Wirklichkeit. Letztendlich ist „Der Schüler Gerber hat absolviert“ Psychogramm eines Zerstörungsvorgangs, der schließlich mit dem Selbstmord des Protagonisten endet.
Torberg begann eine Karriere als Journalist. Ab 1927 arbeitete er beispielsweise für das „Prager Tagblatt“, war dort als Sportreporter beschäftigt und verfasste Theaterkritiken. Auch war er im Jahr 1929 Volontär beim „Leipziger Tagblatt“. In Prag nahm Torberg auch ein Philosophiestudium auf, das er jedoch nach einigen Semestern abbrach. Während dieser Prager Zeit knüpfte er auch Kontakte zur literarischen Welt. So befreundete er sich in Prag mit Egon Erwin Kisch, Alfred Polgar und Joseph Roth, in Wien machte er Bekanntschaft mit den Literaten Robert Musil, Franz Werfel und Hermann Broch. Auch wurde er mit 20 als Mitglied der Mannschaft Hagibor Prag tschechoslowakischer Meister im Wasserball.
In den weiteren Jahren pendelte der Journalist und Schriftsteller zwischen Prag und Wien. 1933 wurden auch Friedrich Torbergs Werke von den Nationalsozialisten verboten. Im Juni 1938 emigrierte der Literat erst in die Schweiz, lebte bis Kriegsausbruch in Zürich und Paris. Torberg schloss sich im Oktober 1939 der tschechoslowakischen Exilarmee in Frankreich an. Im Juni des darauffolgenden Jahres verließ Torberg Paris und flüchtete über Spanien und Portugal nach Amerika. Sein amerikanisches Exil fristete der österreichisch-tschechoslowakische Autor bis 1944 in Los Angeles und später in New York. Seinen Lebensunterhalt bestritt er dort hauptsächlich als freier Journalist, Theaterkritiker und Übersetzter.
1951 kehrte Torberg nach Wien zurück. Trotz seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft, fühlte er sich als europäischer Schriftsteller, der sowohl deutsche, österreichische aber auch jüdische Wurzeln hat. Torberg war Professor h. c. und Mitglied des österreichischen PEN-Clubs. Auch war er Herausgeber der Österreichischen Monatsblätter für kulturelle Freiheit „Forum“ tätig. Seine wichtigsten Werke waren unter anderem der Roman „Hier bin ich, mein Vater“ (1948), der sich mit Antisemitismus und Nationalsozialismus auseinandersetzt und die Anekdotensammlung „Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlands in Anekdoten“ (1975), in der er seiner Jugendzeit und dem jüdischen Leben in Wien und Prag gedenkt.
Obwohl Torberg auch als Essayist, Theaterkritiker und Übersetzer der Werke Ephraim Kishons hervortrat, machte er auch in anderer Hinsicht auf sich aufmerksam. So engagierte sich Friedrich Torberg aktiv gegen den Kommunismus und dessen Anhänger. Torberg wurde berühmt für seine Polemiken und Feldzüge gegen Sympathisanten des Kommunismus. Es gelang ihm sogar, einen Boykott der Aufführung der Werke Bertolt Brechts auf österreichischen Bühnen durchzusetzen. Als „Jud vom Dienst“ war er ständiger Diskussionsgast in Fernsehen und Rundfunk. Trotz allem erhielt er hohe Auszeichnungen, wie den großen Österreichischen Staatspreis für Literatur 1979 und ein Ehrengrab neben Arthur Schnitzler.
Von Carolin Beutel
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