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Jeder könnte der Mörder sein

Andrea Maria Schenkels mörderisches Debüt „Tannöd“

© Die Berliner Literaturkritik, 02.03.06

 

HAMBURG (BLK) – Andrea Maria Schenkel verfolgt bei ihrem Debüt „Tannöd“ ein ungewöhnliches Konzept. Sie lässt die Beteiligten abwechselnd zu Wort kommen- so wird das Geschehen nach und nach aus verschiedenen Perspektiven enthüllt.

In einer einzigen Nacht wird auf einem einsamen Hof bei Tannöd eine ganze Familie ausgelöscht. Seither trägt der Ort nur noch den Namen „Mordhof“. Die Todesfälle werden von der Dorfgemeinschaft nicht als besonderer Verlust empfunden, da die Familie Danner äußerst unbeliebt war. Doch dass der Mörder noch auf freiem Fuß ist, versetzt sie in Panik. Schenkel lässt den Leser die Spur des Mörders verfolgen und ihn stets in dessen unmittelbarer Nähe sein, jedoch ohne die Identität des Gesuchten zu enthüllen. Erst am Ende fügen sich die rätselhaften Fragmente zu einem logischen Gesamtbild zusammen.

Andrea Maria Schenkel lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Regensburg.(gar/lin)

 

© Edition Nautilus 2006

»Der Dämon sitzt in jedem und jeder kann seinen Dämon jederzeit herauslassen.«

Der Bauer, ein großer, kräftiger Mann, einsilbig. Während des Abendessens hat er nicht viel gesprochen. Er hat sie nur kurz begrüßt, als er in die Stube kam. Ein fester Händedruck, ein abschätzender Blick, das war alles.

Seine Frau, auch sie sehr still. Älter als ihr Mann. Verhärmt, verschlossen. Sie sprach das Tischgebet.

Die Tochter, sie war nett zu Marie. Hat gefragt, ob sie außer der Traudl noch andere Geschwister hat, Nichten und Neffen. Hat sich nach deren Namen erkundigt und nach dem Alter.

Mit der kann man noch am besten auskommen, denkt sich Marie.

Und die Kinder …

Die Kinder hier im Haus sind nett. Nette Kinder, besonders der kleine Bub. Der hat sie gleich angelacht. Der wollte immer mit ihr spielen. Sie hat mit ihm gescherzt. Hat ihn auf ihren Schoß genommen und auf den Knien reiten lassen, wie sie es immer mit den Kindern ihrer Schwester gemacht hat. »Hoppe Reiter« hat sie mit ihm gespielt, von ihrem Schoß hat sie ihn plumpsen lassen. Der Kleine hat vor lauter Lachen gegluckst.

Wie die junge Bäuerin die Kinder zu Bett geschickt hat, da ist die Marie auch aufgestanden.

Hat gesagt: »Ich geh auch gleich in die Kammer, muss meine Sachen noch einräumen. Dann kann ich morgen in aller Früh gleich anfangen.«

Sie hat allen eine gute Nacht gewünscht und ist in ihre Kammer gegangen.

Draußen ist das Wetter noch schlechter geworden. Der Wind nimmt immer mehr zu. Es stürmt.

Das Fenster ist nicht besonders dicht, der Wind pfeift durch die Ritzen. Marie bemerkt einen Luftzug. Sie dreht sich um zur Tür.

Die Tür steht leicht offen. Marie will sie schließen. Da bemerkt sie, wie sich die Tür langsam, knarrend immer mehr öffnet. Ungläubig staunend blickt sie auf den größer werdenden Spalt.

Marie ist unschlüssig, sie weiß nicht, was sie tun soll. Steif und starr bleibt sie einfach nur stehen. Den Blick auf die Tür gerichtet. Bis sie ohne ein Wort, ohne eine Silbe von der Wucht des Schlages zu Boden fällt.

© Edition Nautilus 2006

Mehr: Dem Mörder auf der Spur (Kurzvorstellung)

Literaturangaben:
SCHENKEL, ANDREA MARIA: Tannöd. Krimi. Edition Nautilus, Hamburg 2006. 128 S., 12,90 €.

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