Von Thomas Borchert
Düsterer als die Belagerung Leningrads kann ein Hintergrund für einen Abenteuerroman kaum ausfallen. Zwischen 1941 und 1944 starben hier mehr als eine Million Menschen im Würgegriff von Hitlers Wehrmacht, die Eingeschlossenen waren 900 Tage lang Hunger und anderen entsetzlichen Qualen ausgesetzt. Der Großvater des US-Autors David Benioff war als junger Mann dabei und hat eine schier unglaubliche Woche erlebt: Wegen Plünderung einer deutschen Soldatenleiche eingekerkert, kann der 17-Jährige der Hinrichtung nur entgehen, wenn er in der ausgehungerten Riesenstadt binnen einer Woche zwölf Eier für einen mächtigen Oberst der Roten Armee auftreibt. Der will seiner Tochter eine Hochzeitsfeier mit allem Drum und Dran bescheren.
Benioff, Drehbuchautor von Filmen wie „Der Drachenläufer“, „25 Stunden“ und „Troja“, hat sich die Geschichte von seinem Großvater erzählen lassen und zu einem Abenteuerroman verarbeitet. Er folgt dem schüchternen Jüngling Lew und dessen älteren und höchst schlitzohrigen Kameraden Kolja auf deren in jeder Sekunde lebensbedrohlichen Suche nach Eiern. Das Paar gerät an Kannibalen, es pirscht sich durch den deutschen Belagerungsring, landet in einem ländlichen Bordell und muss immer wieder Kämpfe auf Leben und Tod bestehen. Lew verliebt sich in eine als Junge verkleidete Scharfschützin – die spätere Großmutter des Autoren.
Benioff hat die Geschichte seines Großvaters zu einer Mischung aus Indiana Jones und romantisierender Schilderung von Pubertätsproblemen zusammengerührt. Durchaus spannend und anrührend in der Schilderung der Hauptfigur – einem Jugendlichen mit starker Sehnsucht nach Liebe und Sex. Aber alles in allem genauso unglaubwürdig wie Steven Spielbergs Fantasiefilme über den am Ende auch in völlig aussichtsloser Lage doch noch stets siegenden Dr. Jones.
Lew und Kolja hungern sich durch ihr Abenteuer und lutschen Schnee als oft einziger „Nahrung“. Trotzdem haben beide im Roman ständig putzmunter Sex im Kopf und in den Lenden, führen literarisch anspruchsvolle Debatten und gewinnen ihre Kämpfe mit übermächtigen russischen Kannibalen und deutschen SS-Einsatzgruppen – auch in aussichtsloser Lage am Ende immer. Bis zum romantischen Happy End für Benioffs Großeltern. Man kann gut nachvollziehen, warum der Autor Erfolg mit seinen Hollywood-Drehbüchern hat.
Literaturangaben:
BENIOFF, DAVID: Stadt der Diebe. Blessing Verlag, München 2009. 384 S., 19,95 €.
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