BERLIN (BLK) – Sehr unterschiedlich fällt das Echo der "FAZ" auf die in ihr besprochenen Autobiographien von drei deutschen Schauspielern aus. Hochgelobt wird Mario Adorfs "Himmel und Erde", erdverbunden zeigen sich Uschi Glas´ Memoiren "Mit einem Lächeln", während die Erinnerungen Manfred Krugs ob ihrer schulterklopfenden Attitüde eher eine Tendenz nach unten offenbarten. Freudig begrüßt wird dagegen in der "SZ" die französischsprachige Lyrik von Rainer Maria Rilke. Die "NZZ" zeigt sich von Erri De Lucas Roman "Ich bin da" ebenfalls recht angetan, während ebenda eine Wertung von Ivan Cankars "Frau Judit" schwer erkennbar ist.
"Süddeutsche Zeitung"
Der Supplementband zur kommentierten Ausgabe mit Werken Rilkes enthalte nun endlich die französischsprachige Lyrik des Dichters, informiert die "SZ" in ihrer heutigen Ausgabe. Es handele sich um fast 440 Einzelstücke, von denen die meisten aus der Spätphase stammten, die im Herbst 1923, mit dem Beginn von Rilkes Leukämie-Erkrankung, eingesetzt habe. Vier Zyklen - "Vergers" ("Obstgärten"), "Les Quatrains Valaisans" ("Die Walliser Vierzeiler"), "Les Roses", "Les Fenêtres" - und zahlreiche Einzelgedichte bildeten diesen Werkteil, dessen Lektüre die vorgefasste Meinung, es handle sich um bloße Gelegenheitsdichtung oder - noch abwegiger - um den Racheakt eines von seinem Vaterland enttäuschten, rasch und mit der für Rilke so charakteristischen sanften Gewalt zunichte mache.
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"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Die Biographien dreier großer deutscher Schauspieler werden in der heutigen Ausgabe der "FAZ" verglichen. Neben den jüngst erschienen Memoiren von Mario Adorf und Uschi Glas wird auch die schon etwas Ältere von Manfred Krug mit hinzugezogen. Angetan hat es dem Rezensenten vor allem "Himmel und Erde" von Mario Adorf. Es sei dem Autor gelungen, konform dem Untertitel, bestimmte Lücken, Zufälliges und Nebensächliches literarisch umzusetzen. "Schlicht großartig" gelungen wären die ersten Seiten, die gerade die Kinderjahre umfassen. Auch wenn sich danach ein Bruch abzeichne, bleibe die Lektüre "rühmenswert dicht und stets gewitzt". Sein männlicher Kollege Manfred Krug glänze in seiner Biographie "Mein schönes Leben" eher durch "sich auf die Schulter schlagen (…) und Eitelkeit". Trotzdem seien auch in seinem Buch einige Passagen äußerst gelungen, wie in allen drei vorgestellten Werken seien das Erinnerungen an die Eltern. Den Abschluss der Bücher bilde Uschi Glas "Mit einem Lächeln", welches wesentlich "bescheidener, schlichter und aufrichtiger" auftrete. Es liefere "Anekdoten und Erkenntnisse" zuhauf und selbst bei den Beschreibungen der gescheiterten Ehe lasse sich die Autorin nicht zu "Wut und Schmerz"-Tiraden hinreisen. Dies entspreche ganz dem "Maß an Selbstbeherrschung", welches durch die Lektüre vermittelt werde.
"Neue Zürcher Zeitung"
Mit dem, erstmals in deutscher Sprache erscheinenden, Roman "Frau Judit" von Ivan Cankar setzt sich die "NZZ" auseinander. Das Buch wurde bereits 1904 verfasst und wirke wie ein Plädoyer gegen sein Heimatland Slowenien. Der Text erzähle von "Frau Judit", die am Totenbett über ihr Leben sinniere. Beherrscht würden diese Gedanken von bitterer Lakonie, ein überwiegendes Element in Cankars Werken. Demnach werde die Existenz der Protagonistin von "Schmerz, Täuschung und Enttäuschung" begleitet, was sich auf den "Kleingeist und die Engstirnigkeit" der slowenischen Gesellschaft ummünzen lasse.
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Erri De Lucas Roman "Ich bin da" bleibt nach Ansicht der "NZZ" dem Markenzeichen des Autors treu: in Kargheit geleistete Erinnerungsarbeit. "Ich bin da" vermerke der dreizehnjährige Erzähler des Romans, als er für die Nachbarstochter Maria wichtig werde. Vorher habe er seine Anwesenheit kaum bemerkt. Auf einer Papierrolle, die ihm ein Drucker geschenkt habe, habe der Protagonist die wundersame Chronik seiner Adoleszenz in Neapel verfasst, berichtet der Rezensent, ohne die Vielschichtigkeit von Lucas Werk durch spekulative Einordnungen zu strapazieren. (gün/dum/lep)
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Literaturangaben:
ADORF, MARIO: Himmel und Erde. Unordentliche Erinnerungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004. 262 S., 18,90 €.
CANKAR, IVAN: Frau Judit. Aus dem Slowenischen von Erwin Köstler. Drava-Verlag, Klagenfurt 2004. 167 S., 19,50 €.
DE LUCA, ERRI: Ich bin da. Roman. Deutsch von Annette Kopetzki. Rowohlt, Reinbek 2004. 128 S., 14,90 €.
GLAS, USCHI (mit Renate von Matuschka): Mit einem Lächeln. Mein Leben. Droemer Verlag, München 2004. 352 S., 19,90 €.
KRUG, MANFRED: Mein schönes Leben. Econ Verlag, München 2003. 452 S., 24€.
RILKE, RAINER MARIA: Supplementband zur kommentierten Ausgabe. Gedichte in französischer Sprache. Mit deutschen Prosafassungen. Hrsg. von Manfred Engel und Dorothea Lauterbach. Übertragen von Rätus Luck. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2003. 767 S., 62 €.