LEIPZIG (BLK) – Die drei Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse 2007 stehen fest: In der Kategorie „Belletristik“ wurde der Wahl-Berliner Ingo Schulze (44) für seinen Prosaband „Handy. Dreizehn Geschichten in alter Manier“ zum Sieger gekürt. In der Rubrik Sachbuch/Essayistik gewann Saul Friedländer mit „Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden 1939-1945“. Für die beste Übersetzung wurde mit der 83-jährigen Swetlana Geier die älteste nominierte Kandidatin ausgezeichnet. Sie erhielt den Preis für ihre Neu-Übersetzung von Fjodor Dostojewskijs „Der grüne Junge“.
Betonung der gesprochenen Sprache bei Dostojewskij
Die Jury würdigte Geiers Übersetzung, „die jegliche Sprödigkeit von der Sprache abschüttelt und Dostojewskij gewissermaßen wie von allein in unsere Sprachwelt hereinholt“. Mit diesem Band hat die gebürtige Kiewerin zu den fünf großen Dostojewskij-Romanen neue Übersetzungen vorgelegt. Besonders angetan waren die Juroren von Geiers starker Betonung der gesprochenen Sprache der Figur Arkadij Dolgorukij, wodurch sich „die versuchte Autobiographie Dolgorukijs zu einem großartigen Dialog mit dem Leser steigert“.
Friedländers Werk herausragend
Der 1932 geborene israelische Historiker Saul Friedländer wurde für den zweiten Band seiner Untersuchung „Das Dritte Reich und die Juden“ gewürdigt. Ein Werk über die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden, das nach Meinung der Jury einzigartig und von herausragendem Rang ist. Weiter heißt es: „Das eindringliche Buch rückt die europäische Dimension der Terrorisierung und Ermordung der Juden in den Blick; und es lässt in bisher nicht gekannter Weise die Opfer zu Wort kommen. Deren Stimmen werden anhand von Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und Erinnerungen vernehmlich.“
Virtuos und beiläufig
Ingo Schulze betonte in seiner Dankesrede die Freude darüber, ausgerechnet mit Swetlana Geier und Saul Friedländer geehrt zu werden. Ansonsten übte er sich in Bescheidenheit, empfahl die Bücher der mitnominierten Belletristik-Kollegen weiter und riet dem Publikum, sich überhaupt nicht um die Empfehlungen der Jury zu kümmern. Die würdigte sein Buch ihrerseits dafür, die klassischen Formen der Kurzgeschichte virtuos für die Erfassung der Gegenwart fruchtbar zu machen. „In beiläufigem, scheinbar kunstlosem Ton entwirft Schulze Alltagssituationen, die unvermittelt eine existenzielle Dimension offenbaren und die gesellschaftlichen Umbrüche unserer Gegenwart sichtbar machen“, lobten die Jury, zu der auch Sigrid Löffler und Martin Lüdke zählten.
Literaturangaben:
SCHULZE, INGO: Handy. Dreizehn Geschichten in alter Manier. Berlin Verlag, Berlin 2007. 288 S., 19,90 €.
FRIEDLÄNDER, SAUL: Die Jahre der Vernichtung. Das dritte Reich und die Juden 1939-1945. C.H. Beck Verlag, München 2006. 864 S., 34,90 €.
DOSTOJEWSKIJ, FJODOR: Ein grüner Junge. Aus dem Russischen von Swetlana Geier. Ammann Verlag, Zürich 2006. 829 S., 65,90 €.
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