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Verliebt in eine Schreibmaschine

Paul Austers Ode an seine Schreibmaschine

© Die Berliner Literaturkritik, 08.12.05

 

Eine Schreibmaschine hat keine Gefühle? Falsch, absolut falsch! Zumindest was die Olympia von Paul Auster angeht. Ärger, Wut, Zorn, aber auch ein kleines Lächeln: Die Gemütszustände von Austers mechanischer Schreibmaschine scheinen höchst menschlich zu sein. Die Tasten wild zum Angriff gefletscht oder zu einem breiten Grinsen verzogen – Austers Schreibmaschine lebt. Daran kann kein Zweifel bestehen. Und Sam Messer entschlüsselt die jeweiligen Gemütszustände des Gerätes liebevoll in einem jahrelangen, leidenschaftlichen Tête à tête mit der Maschine. Atemberaubende Bilder sind so entstanden, zu denen Paul Auster die „Lebensgeschichte“ seiner Schreibmaschine schrieb. Beides ist in dem gelungenen Band mit Sam Messers Gemälden „Die Geschichte meiner Schreibmaschine“ nachzulesen und zu betrachten.

Zugegeben: Auch Paul Auster ist die „Liebesgeschichte“ seines Freundes Sam mit der Olympia nicht ganz geheuer! Für Auster ist seine Schreibmaschine ein Mittel, seine Texte zu Papier zu kriegen. Eine völlig unromantische Angelegenheit. Genau wie der Beginn ihrer halb-lebenslangen Partnerschaft. Völlig abgebrannt kam Auster im Jahr 1974 nach Amerika zurück. Seine kleine Hermes-Schreibmaschine war beschädigt, Geld für eine neue Schreibmaschine hatte Auster nicht. Als er einem Freund seine Misere erzählte, bot dieser ihm für 40 Dollar seine Olympia an. „Es war eine Olympia-Reiseschreibmaschine, hergestellt in Westdeutschland. Dieses Land gibt es nicht mehr, aber seit jenem Tag im Jahr 1974 ist jedes Wort, das ich geschrieben habe, auf dieser Maschine getippt worden“, notiert Auster eher nüchtern.

Das Klappern der westdeutschen Freundin

Große Gedanken macht sich Auster nie über den Gebrauch seiner manuellen Schreibmaschine. „Das ständige Surren des Motors, das Summen und Klappern loser Teile, den hektisch vibrierenden Puls des Wechselstroms in meinen Fingern“ weist Auster zu Gunsten der Stille seiner Olympia zurück. Und Computer sind ihm zu unsicher. Stromausfälle, das Löschen eines Tagewerkes durch das Drücken einer falschen Taste und ähnliche Horrorszenarien lassen ihn von der modernen Technik Abstand halten. Die Olympia ist das richtige Schreibwerkzeug. „Sie fasste sich gut an, sie arbeitete reibungslos, sie war verlässlich. Und wenn ich nicht in die Tasten hieb, war sie stumm.“ Kurz: Auster ist mit der praktischen Olympia zufrieden. Sie entspricht seiner Art zu schreiben. Dafür nimmt er in Kauf, sich wie „ein Fortschrittsfeind“ vorzukommen, wie „der letzte heidnische Posten in der Welt voller digitaler Konvertiten“.

Und das schafft Zusammenhalt. „Bis dahin hatte ich mich meiner Schreibmaschine nicht sonderlich zugetan gefühlt. Sie war einfach ein Werkzeug [...]; aber jetzt, da sie zu einer gefährdeten Spezies geworden war, zu einer der letzten Gerätschaften des Homo scriptorus des 20. Jahrhunderts, begann ich eine gewisse Zuneigung zu ihr zu empfinden. Ob es dir passt oder nicht, erkannte ich, wir haben eine gemeinsame Vergangenheit. Und im Laufe der Zeit begriff ich, dass wir auch eine gemeinsame Zukunft hatten.“

Keine Heldin, aber Herzensbrecherin

Zu einer Heldin wollte Auster seine Schreibmaschine nach eigenem Bekunden nie machen. „Das ist das Werk von Sam Messer, einem Mann, der eines Tages in mein Haus kam und sich in die Maschine verliebte“, notiert Auster. Die Schreibmaschine wird dem zeitgenössischen Maler Messer bei einem Besuch gezeigt. Zwei Tage später kommt Messer nochmals. „ich war an diesem Nachmittag nicht zu Hause, und er fragte meine Frau, ob er nach unten in mein Arbeitszimmer gehen und sich die Schreibmaschine noch einmal ansehen dürfe. Gott weiß, was er da unten angestellt hat, aber ich habe nie bezweifelt, dass die Schreibmaschine mit ihm gesprochen hat. Und bestimmt ist es ihm im Laufe der Zeit gelungen, sie zu überreden, ihm ihr Herz zu öffnen.“

Seitdem malt Sam Messer Austers Schreibmaschine mit wahrer Leidenschaft. „Ich muss zugeben, mir ist das unheimlich“, beschreibt Auster die Romanze der Schreibmaschine mit Messer. Die Liaison zwingt Auster, die Maschine mit anderen Augen zu betrachten. „[...] wenn ich mir jedoch heute diese Bilder anschaue (zwei hängen bei mir im Wohnzimmer), fällt es mir schwer, meine Schreibmaschine als ein Ding zu sehen. Langsam, aber sicher ist aus dem Ding ein lebendiges Wesen geworden.“

Das im Rowohlt Verlag erschienene 82 Seiten starke Buch „Die Geschichte meiner Schreibmaschine“ sollte in keiner Bibliothek eines Schreibenden oder Schreibmaschinen-Liebhabers fehlen. Liebevoll wird die gegenseitige Annäherung des Schreibenden an sein Werkzeug geschildert als Verlängerung seiner Finger, Visualisierung seiner Gedanken und untrennbare Begleiterin. Auch das Manuskript zu diesem Buch ist auf der Olympia entstanden. Oder wie Auster formuliert: „Buchstabe für Buchstabe habe ich sie diesen Text schreiben sehen.“
(Karin Istel)

Literaturangaben:
AUSTER, PAUL / MESSER, SAM: Die Geschichte meiner Schreibmaschine. Rowohlt, Reinbek 2005. 62 S., 16,90 €.

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