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Stefan Wimmer: „Der König von Mexiko“

Wimmer schreibt wie Hunter S. Thompson zu seinen besten Zeiten

© Die Berliner Literaturkritik, 28.10.08

 

1959, im unverschämten Alter von 22 Jahren, schrieb Hunter S. Thompson seinen genialen Debütroman „The Rum Diary“. Darin erzählt Thompson die Geschichte des amerikanischen Journalisten Paul Kemp, der nach San Juan geht, um dort für die „Daily News“ zu schreiben. Das Blatt ist heruntergekommen, Kemp versinkt auf der Suche nach Sinn in seinem Leben im Rum.

Heute, knapp fünfzig Jahre später, schickt der Münchner Autor Stefan Wimmer in seinem Roman „Der König von Mexiko“ sein literarisches Alter Ego, den Journalisten Ingo W. Falkenhorst, nach Mexiko. Falkenhorst gibt vor, dort promovieren zu wollen, hin und wieder schreibt er für ein einheimisches Blatt oder schickt ein Textangebot nach Deutschland. Die meiste Zeit aber sitzt er in Cantinas, trinkt, kokst und versucht, Frauen aufzureißen. Als Falkenhorst nach drei Jahren ausschweifenden Lebens nach Deutschland zurückkehrt, bekommt er einen Job als Redakteur beim „Playboy“, der im Buch nur das „Magazin mit den Ohren“ genannt wird. Nicht nur machen ihm der Chefredakteur, der keinen blassen Schimmer davon hat, wie ein Männermagazin auszusehen hat, und die überbezahlten Gouvernanten aus der Layout-Redaktion das Leben schwer. Schließlich kommen drei vom Chefredakteur angeheuerte Journalistenschulen-Absolventen, die den Laden übernehmen und Falkenhorst mit ihren Handwerksweisheiten zur Weißglut und beinahe in den Wahnsinn treiben. Lange hält er das nicht aus: Am Ende kündigt er seinen Job, um ohne Aussicht auf irgendeine Zukunft erstmal bei einem Freund einzuziehen.

Falkenhorst ist damit noch schlimmer dran als Thompsons Protagonist Paul Kemp, der am Ende von „The Rum Diary“ zwar ohne Job ist, aber einer wunderschönen Frau hinterher fliegt – raus aus San Juan, zurück in die Staaten. Mit den Frauen hat Falkenhorst generell kein Glück. Er versucht es immer wieder, aber wie das so ist mit tragischen Helden, die zu allem Überfluss auch noch dem Rausch zugetan sind – es will auf Dauer nichts werden mit der Liebe. In seinem Scheitern aber ist Ingo W. Falkenhorst, der eloquente Geisteswissenschaftler respektive freie Journalist, ungemein sympathisch. Und man begleitet ihn genauso gerne durch mexikanische Schwulenbars auf Recherche nach frauenmordenden Serienkillern wie auf Frauenfang durch die Münchner Altstadt.

Wimmers Sprache ist dabei so eloquent wie dreckig, so umgangssprachlich wie elaboriert. Man merkt ihm die geisteswissenschaftliche Schule an, auch wenn sein Protagonist Falkenhorst die meiste Zeit damit verbringt, ebendiese zu kritisieren. Heraus kommt dabei ein wilder, ungezähmter aber immer auch reflektierter Ton, und aus ihm folgt eine Attitüde, die zu ätzen scheint: „Ratgeber? Dieser König braucht keine Ratgeber.“

Die Parallelen zu Thompsons „The Rum Diary“ mag Stefan Wimmer beabsichtigt haben oder nicht – sie sind bestechend und unbestreitbar. Und damit reiht sich der Enddreißiger bereits mit seinem Debütroman in eine Reihe mit dem Begründer des Gonzo-Journalismus ein. Wimmer tut das in einer so beeindruckenden Kombination von Lautstärke und Souveränität, dass dem Leser eigentlich nur ein in stehenden Ovationen dargebotenes Dankeschön bleibt. Oder – angesichts solcher Cojones – gleich der Kniefall. Metaphorisch gesehen.

Literaturangaben:
WIMMER, STEFAN: Der König von Mexiko. Roman. Eichborn Berlin, Berlin 2008. 313 S., 19,95 €.

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