Von Thomas Maier
FRANKFURT AM MAIN (BLK) – Keine andere Literaturauszeichnung hat in kurzer Zeit beim Lesepublikum und der Kritik so eingeschlagen – und bleibt doch gerade wegen ihres Erfolgs umstritten. Zum vierten Mal wird am Montagabend (13. Oktober 2008) in Frankfurt am Vorabend der Buchmesse der Gewinner des Deutschen Buchpreises gekürt. Ausgezeichnet wird damit der beste deutschsprachige Roman des vergangenen Jahres. Dieses Mal ist das Finale mit den sechs Autoren, die es in die Endausscheidung geschafft haben, noch aufwendiger inszeniert worden. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Ausrichter des Preises – hat mit den Goethe-Instituten in den vergangenen Wochen Lesungen mit den Finalisten im In- und Ausland organisiert.
Die alljährlich wechselnde Kritiker-Jury hat zuerst aus 161 Einsendungen von Verlagen aus dem deutschsprachigen Raum eine „Longlist“ aus 20 Büchern aufgestellt, die dann Mitte September auf die sechs Romane umfassende „Shortlist“ reduziert wurde. Dieses Jahr umfassen die Finalisten, die mit 39 bis 49 Jahren alle der jüngeren Autoren-Generation angehören, ein recht originelles Spektrum.
Darunter sind mit Ingo Schulze („Adam und Evelyn“) und Uwe Tellkamp („Der Turm“) zwei Autoren, die in der DDR groß wurden und in ihren Büchern auf unterschiedliche Weise den Zerfall ihrer Republik schildern. Der deutsch-irakische Autor Sherko Fatah ist auch in Ost-Berlin aufgewachsen. Sein Buch „Das dunkle Schiff“ ist jedoch eher ein Abenteuerroman, bei dem ein ehemaliger Gotteskrieger vom Irak nach Deutschland emigriert.
Einen Abenteuer- und auch Entwicklungsroman („Nach Hause Schwimmen“) hat der Schweizer Autor Rolf Lappert geschrieben. Sein von Katastrophen gebeutelter Protagonist erlebt auf seiner Reise durch die Welt die merkwürdigsten Dinge. Eine schräge Liebesgeschichte („Treffen sich zwei“), die in Berlin angesiedelt ist, kommt von Iris Hanika. Die Idee für ihren ersten Roman, den Hanika als weiteres Kapitel ihrer „Geschlechterspannungsforschung“ bezeichnet, kam ihr in ihrem Lieblingscafé in Kreuzberg. Das wohl ungewöhnlichste Genre auf der Shortlist stammt von Dietmar Dath, der in seiner Mischung aus Fantasy- und Science-Fiction („Die Abschaffung der Arten“) die Tiere die Weltherrschaft übernehmen lässt. Die Menschen haben abgewirtschaftet.
Als Favoriten werden Tellkamp und Schulze gehandelt. Uwe Tellkamp hat ein monumentales 1.000-Seiten-Werk von Buddenbrookschem Ausmaß über das Dresdner Bürgertum geschrieben, das von der Kritik einhellig gefeiert wurde. Ingo Schulze wiederum stand 2005 schon einmal auf der Shortlist – und er gehört auch im Ausland zu den gefragtesten deutschen Autoren. Anders als bei Tellkamps Epos geht es in seinem DDR-Roman um eine im Jahr 1989 spielende Liebesgeschichte, in der Privates und Politisches sich verschränken.
Doch wie in den Vorjahren könnte die siebenköpfige Jury für Überraschungen gut sein. Auch 2007 galt Siegerin Julia Franck („Die Mittagsfrau“) nicht unbedingt als Favoritin, da ihr Buch in der Kritik kontrovers besprochen wurde. Und im Internet-„Lesesaal“ der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zum Buchpreis lag Rolf Lappert bei den Lesern vorne – vor Tellkamp. Feststeht: Wer am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römer (Rathaus) zum Gewinner des Preises gekürt wird, kann auf jeden Fall damit rechnen, dass sein Buch im Handel reißenden Absatz findet. Der Preis für den Sieger (25.000 Euro) ist sekundär. Die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro.
Nach Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) hat am Freitag (10. Oktober 2008) auch TV-Buchexpertin Elke Heidenreich den Preis scharf kritisiert. Literatur werde wie ein Wettrennen inszeniert. Viele gute Autoren würden vom Buchmarkt gar nicht mehr wahrgenommen, sagte sie im Südwestrundfunk (SWR). Dem widerspricht Stephan Füssel, Professor für Buchwissenschaft an der Universität Mainz. Gerade das an Großbritannien und Frankreich angelehnte Verfahren mit Longlist und Shortlist erzeuge viel Aufmerksamkeit und Diskussion. „Für die Literatur ist das positiv“, sagte er der dpa.