Lesarten

Temporäres Archiv | Gedicht des Tages | 25.02.2013

Autor: Christoph Wenzel + Adrian Kasnitz

Westfalen sei „nicht mehr als ein Verwaltungsbezirk“, hieß es 1956 im Zusammenhang des heftig geführten Schmallenberger Dichterstreits, in dem die ältere Generation westfälischer Heimatschriftsteller auf junge Autoren traf, die sich vielmehr der literarischen Moderne verbunden fühlten. Westfalen, sonst nichts? lautet der Titel der Anthologie, in der wir Gedichte von über 30 jungen Lyriker/innen versammelt haben, die wie wir Herausgeber einen (durchaus sehr unterschiedlichen, aber deutlichen) biographischen Bezug zu diesem Teil-Bundesland haben. Entstanden ist dabei ein Sammelband, dessen Titel bereits deutlich machen will, dass es hier keineswegs um die Behauptung einer geographisch gebundenen Poesie geht. Das landschaftlich so heterogene Westfalen war für uns vielmehr die Klammer, der Ausgangspunkt für eine Zusammenschau von Gedichten, die weit hinausreicht über die Grenzen dieser Region, und von Autor/innen, die längst die Regionalliga der Poesie verlassen haben und nun die aktuelle deutschsprachige Lyrik mitprägen.

Gedicht: (*1981)

Autor: Vesna Lubina

wetter


keine leuchtkörper in der unterschicht
der zellverein & sein kontakt
zur oberfläche brechen ab

auch der kanarienvogel verschwindet
dem fieber folgen
dem gewicht

zwischen den brüchen
klafft ein gehege
bald ist teezeit

“man muss nicht in solcher dunkelheit leben
es gibt auch weiden”


(aus: Westfalen, sonst nichts? Eine Anthologie. Hrsg. von Adrian Kasnitz und Christoph Wenzel. parasitenpresse + [SIC] – Literaturverlag, 2013. Gefördert durch die Nyland-Stiftung und die GWK - Gesellschaft zur Förderung der westfälischen Kulturarbeit.)