Glanz@Elend |
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Volk ohne Traum XI |
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Als ich noch ein junger Ehemann war, motivierte mich der Vergleich unserer Kleinfamilie (2 Kinder) mit unserem Staate, wobei meine Frau die Regierungspartei verkörperte, bis sie mir das Vertrauen (recte ihre Liebe) entzog, unter Einflüssen und Umständen, welche durchaus der professionellen Tagespolitik ähnelten, wie denn das ganze Eheleben (mit oder ohne Nachwuchs) dem Verhältnis von Volk und politischer Klasse gleicht: Ein dauernder Kampf auch im schönsten Burgfrieden, auch bei vollen Töpfen kein Honigschlecken und immer die dumpfe Ahnung im Herzen, daß einer den anderen verachtet. Und natürlich lassen sich nur die Unarten und Kardinalfehler vergleichen – es ist das reine sprichwörtliche Glück, wenn die Schmidts oder die Schweizer glücklich sind; Rezepte gibt es bei ledigen Priestern, misogynen Denkern und Lebensberaterinnen. Gottlob hängt die Politik nur geringfügig vom Glück ab, Bismarck befand „Fortüne ist eine Eigenschaft“ und selbstredend wollen wir unsere Lebensplanung nicht Landesmüttern und Stadtvätern – hiesigen wie überseeischen –anvertrauen, die ebensogut Unglück bringen. Freilich: Was in der Kleingruppierung (z.B. die Schweiz) möglich und erfolgreich ist, muß mit denselben Methoden im Großverbund (z.B. Deutschland) nicht klappen; dennoch starren unsere Deputierten (die meisten europäischen Staatsmänner haben als Volksvertreter begonnen) beispielsweise auf Finnland als musterstaatliches Vorbild (5 Millionen Einwohner) und informieren sich auf weltweiten Reisen über Ganztagsschulen in Goa. Wer zwischen realer Weltraumfahrt und ruinösen Space Parks, zwischen Euthanasie und Kindergeld, Menschenzoo und Krötenwanderungen die goldene Schnittmenge sucht, verliert das Gespür für die richtigen Proportionen. Unsere Lebenserfahrung bestätigt, daß vor allem eingefleischte Verlustängste alle wesentlichen Veränderungen verhindern, solange die sich nicht als Fluchten ereignen oder als Tagesbefehle durchgesetzt werden. Etwa dann, wenn Persien brennt und in den Neuen Ländern die Wegelagerei zur Haupteinnahmequelle geworden ist. Es muß knüppeldicke kommen, wenn eines frühen Morgens der Bundespräsident die ersten Notverordnungen bekanntgibt, in deren Folge u.a. der Schankbierpreis eingefroren wird, nachdem man ihn erheblich gesenkt und die Wiedereinführung der öffentlichen Prügelstrafe als Schnelljustizmaßnahme beschlossen hat. Vielmehr nicht, denn mehr kann man schon jetzt nicht tun für unsere Aborigines, Ausländer und seriösen Opfer der neuen ökonomischen Politik, als Geschenke anzuordnen und Grenzen zu ziehen. Während der Volksbierpreis an bestimmte gastronomische Regulationen gebunden wäre (niemand denkt daran, die Oktoberfeste und Rotlichtviertel zu subventionieren!), dürfen sich um die Übertragung der Züchtigungs- Shows auch Privatsender bemühen und selbstverständlich wären diese Vorführungen kein Haftersatz für asoziale Aktivisten (AAs), sondern Prologe zum Haftantritt. Keine anderen Sorgen, keine besseren Ideen als inhumane Scherze? Aber ja! Das Problem ist nicht, was und wieviel man der Bevölkerung zumuten kann - jede Politik ist eine Zumutung! – sondern was die Politiker ihren Sponsoren und Votenbeschaffern keinesfalls zumuten dürfen. Der sogenannte Wählerauftrag entspricht der faulen Ausrede eines Juwelendiebes, er habe nur dem Wunsche seiner alten Mutter gehorcht, ihr „etwas Schönes mitzubringen“. Nur wer wirklich populistische Fässer aufmacht, kann dem verkrusteten und verfilzten Wahlzirkus das Winterquartier kündigen und ein wirklich neues Programm wagen und natürlich kann man damit nicht an Wahlen teilnehmen. In der Tat habe ich diesmal vor Einwurf meines Stimmzettels gezögert und dann erneut das Versteck recte die Sichtblende aufgesucht, um mein Votum zu überprüfen – Unruhe und helle Aufregung unter den Wahlhelfern, denn wer macht das schon?! Plante ich etwa eine Wahlaufsichtsbeschwerde oder einen chemikalischen Anschlag, um die Schicksalswahl zu torpedieren? In diesem Augenblick der Wahrheit habe ich sie deutlich vernommen, die Stimmen aus der Urne: Wehr Dich, Mann, verweigert Euch, Bürger! Tja, dann gründen wir zunächst mal einen Wahlverein... |
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