Schon das Cover von Vermint gibt die Richtung dieses beklemmenden Buches vor, das keinen, der es verschlingt, kalt lassen kann! Es geht um grausame, aber aus militärischer Sicht sehr effiziente Waffen, die im Dunkeln, im Geheimen und bewegungslos auf ihr ahnungsloses Opfer warten, jahrelang, Jahrzehnte lang. Sie unterscheiden nicht zwischen Freund oder Feind, zwischen jung oder alt. Sie warten geduldig auf ein Tier, das beim Äsen drauf tritt oder auf ein Kind, das dieses interessante Ding beim Spielen in die Hand nimmt.
Aus rein militärischer Sicht sind Minen sehr effiziente Waffen, da sie im Krieg mit geringen eigenen Kräften und Mitteln des Gegners Bewegungen hemmen, ihm Schaden zufügen, ihn in eine gewünschte Richtung lenken, seine Kräfte zersplittern sowie Angst und Schrecken verbreiten.
Doch eine Mine schläft nie, auch nach dem Krieg nicht, jahrelang, Jahrzehnte lang – sie wartet! Und darum gibt es Menschen wie Blohm, den erfahrenen und kompetenten Minenräumer, der in der Branche bekannt ist wie ein bunter Hund. Er und viele andere sind es, die einer wahren Sisyphos-Arbeit nachgehen: Sie räumen unter Lebensgefahr Minen, mit dem Wissen, dass auf eine geräumte Mine, vier neue eingebaut, verlegt oder vergraben werden. In diesem Job gibt es kein Gestern, Heute oder Morgen: nur der Moment zählt, ist wichtig und entscheidet über Leben oder Tod.
All das geht Blohm durch den Kopf, als er durch den überraschenden Besuch der Tochter seiner komplizierten und mittlerweile verdrängten Vergangenheit gegenüber steht. Der Bruch mit seinem Vater, dem Minenproduzenten, seine Frau verließ ihn, seinen gut dotierten Job hängte er an den Nagel und den Kontakt zur Tochter ließ er abreißen. Seit dem lebt er, der Zerrissene, ein Leben aus einem einzigen Koffer: drei Bücher, drei CDs, ein bisschen Kleidung; ein vermintes Leben zwischen Verrat an der Familie und täglichem Heldentum. Afghanistan, Guatemala, Kambodscha, Angola, Kosovo und viele andere Schauplätze von Kriegen – die Liste seiner Flucht und gleichzeitigen Heldentaten ist lang!
Claus Probst erzählt diese aufrüttelnde und erschütternde Geschichte absolut dicht, minutiös, authentisch, eindringlich und packend. Dort, wo es angebracht und wirklich wichtig ist, legt er jedoch eine differenzierte, distanzierte und teils auch beruhigende Betrachtungsweise an den Tag, Je nach Lage der Dinge springt er meisterhaft vom Erzähl- in den Berichtsstil und nimmt so die Leserschaft von Anfang an mit. Durch die gekonnte Aneinanderreihung von unzähligen Kurzgeschichten ist man in diesem temporeichen und realistischen Plot immer auf Augenhöhe mit dem Geschehen.
Vermint ist ein einziges Plädoyer gegen den Krieg, in dem Fiktion und Realität verschmelzen, ein Buch das unbedingt gelesen werden sollte!
Wolfgang Gonsch
5 von 5 / Lesetipp 2010
© 2011 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth
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