Im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld geschieht das Undenkbare: eine atomare Katastrophe. Die junge Janna-Berta und ihr kleiner Bruder Uli fliehen vor der radioaktiven Wolke. Panik bricht in der Bevölkerung aus, ihre Flucht wird auch zur persönlichen Katastrophe der Familie. Zum Schluß hat Janna-Berta fast ihre ganze Familie verloren und ist gezeichnet von der Strahlenkrankheit.
Vorweg: Dieses Buch zu beschreiben, ohne es gelesen zu haben, ist unmöglich. Dieses Buch zu beschreiben, wenn man es gelesen hat, ist sehr schwierig - zu sehr beeindruckt und schockt die Geschichte um Kinder, die vor radioaktiver Verstrahlung flüchten und die Angst und Rücksichtslosigkeit ihrer Mitmenschen erfahren müssen.
„Jetzt werden wir nicht mehr sagen können, wir hätten von nichts gewußt“, ist der erschreckende Untertitel des Buches. Die Erzählung eines fiktiven Super-GAUs mitten in Deutschland und die Folgen daraus erschüttern. Die beängstigend realistisch erzählte Flucht vermittelt Machtlosigkeit, vor allem aber auch die Unfähigkeit der Menschen sich gegenseitig in Extremsituationen bedingungslos zu helfen. Oder wäre die Wirklichkeit etwa anders?
Die Wolke ist ein utopischer Roman für Jugendliche. Diese Anti-Utopie wird nachvollziehbar und glaubwürdig geschildert. Obwohl das Werk wohl als Jugendbuch verstanden werden will, kann und sollte es auch von Erwachsenen gelesen werden. Mit der Hauptakteurin Janna-Berta fiebert man mit und nimmt an ihrem Leid teil. Letztendlich ist man froh, wenn man die Geschichte hinter sich gelassen hat. Zu erschreckend erscheint der Gedanke, daß Unglücke wie Der Kyschtym-Unfall (Russland, 1957), der Windscale-Brand (Großbritannien, 1957), der Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island (USA, 1979) oder die Katastrophe von Tschernobyl (Sowjetunion, 1986) auch in Deutschland passieren könnten.
Die Wolke ist ein hervorragendes Buch - gerade weil es politisiert. Es entstand unter dem Eindruck des katastrophalen Unfalls von Tschernobyl. Die ersten Seiten drucken den Wortlaut einer Zeitungsanzeige und mahnen die Beschwichtigungsversuche der Behörden und Politik an. Diese Anzeige erschien vier Wochen nach dem Reaktorunfall in der Wochenzeitung DIE ZEIT und wurde von der Schwester von Hans und Sophie Scholl mitverfasst. Ob des brisanten Themas gab es auch bei der Verleihung des Jugendbuchliteraturpreises 1988 harte Kontroversen seitens der Politik. Ausgezeichnet wurde Die Wolke ebenfalls mit dem „Kurd Laßwitz Preis 1988“ als bester Roman.
2006 wurde das Buch unter der Regie von Gregor Schnitzler mit einigen Änderungen verfilmt. Trotzdem kann auch die Verfilmung als überaus gelungen gelten und wurde auch mit dem Bayerischen Filmpreis als bester Jugendfilm ausgezeichnet und für den Deutschen Filmpreis nominiert. Siehe auch Die Wolke (Film).
Harald Kloth
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© 2003 Harald Kloth
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